Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 156.jpg

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eine unzählige Schaar, und die größte Heerfahrt, die je nach Rom geschah.

Als das Heer so weit gekommen war, daß sie Rom von ferne erblickten, auf dem Mendelberg[1], da betete der werthe König drei Tag und drei Nacht, daß es den Fürsten leid that, und sie sprachen: wie er so lange ihre Noth ansehen möchte, nun sie so weit gekommen wären? Der König antwortete: „erst müssen wir zu Gott flehen und seinen Urlaub haben, dann können wir sanft streiten; auch bedarf ich eines Dienstmannes in dieser Noth, den sende mir Gott gnädiglich.“

Früh am vierten Morgen scholl die Stimme vom Himmel „nicht länger zu warten, sondern auf Rom los zu ziehen; die Rache solle ergehen und Gottes Urtheil sey erfolgt.“

Da bereite man des Königs Fahne. Als das Volk den Berg herab zog, ritt Gerold dem König entgegen. Herrlich redete ihn der König an: „lange warte ich dein, liebster unter meinen Mannen!" Carl rückte den Helm auf und küßte ihn. Alle verwunderte es, wer der Einschilde[2] wäre, den der König so vertraut grüßte. Es war der kühne Gerold, dem das schwäbische Volk folgte in drei wonnesamen Schaaren. Da verlieh ihnen Carl, daß die Schwaben dem Reich immer vorfechten sollten.



  1. Mons gaudii, mont joie wovon der Heerruf Carls des Großen
  2. Der nur einen Schild führt.
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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_156.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)