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455.
Der schlafende Landsknecht.

Helinandus in chronico, libro 15.
Weier von Zauberern I, 14.


Als Heinrich, Erzbischof zu Rheims, der König Ludwigs Bruder auf eine Zeit im Sommer über Land reiste, und um Mittag von der Hitz wegen ein Schläflein that, ruhten sich auch einige seiner Landsknechte und schliefen. Die übrigen aber, welche Wacht hielten, sahen aus dem offenen Mund eines der schlafenden Landsknechte ein klein, weiß Thierlein, gleich einer Wiesel, herauskriechen, und gegen dem nächsten Bächlein zu laufen. Am Gestad des Bächleins lief es aber hin und wieder, und könnte nicht über kommen. Da fuhr einer von denen, die dabei standen zu, und legte sein entblößtes Schwert, wie eine Brücke, hin; darüber lief das Thierlein und verschwand. Über eine kleine Weil kam es jenseits wieder, und suchte emsig die vorige Brücke, die mittlerweile der Kriegsknecht weggethan hatte. Also brückte er nun wieder über das Bächlein, das Thierlein ging darauf, näherte sich dem noch aufgethanen Mund des schlafenden Landsknechtes, und kehrte in seine alte Herberg ein. Von Stund an erwachte der Landsknecht. Seine Spießgesellen fragten: was ihm im Schlafe begegnet sey? Er antwortete: „mir träumte, ich wäre gar müd und hellig, von wegen eines gar fernen, weiten Wegs, den ich zog, und auf dem Wege mußt ich zwei Mal über eine eiserne Brücke gehen. – Die Landsknechte

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_162.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)