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486.
Kaiser Heinrich versucht die Kaiserin.
Gedicht im Cod. pal 525. fol. 78. Cod. pal. 361. fol. 351-354 aber ohne Namen von einem Ritter, dessen Knecht Hänselin heißt.


Der König nahm da Rath von den Herren, was er mit seines Vaters (Kaiser Heinrich IV.) Leichnam schaffen oder thun sollte, der war begraben in Sanct Lamprechts Münster zu Ludeke (Lüttich). Sie riethen: daß er ihn ausgrübe und legen ließe in ein ungeweiht Münster, bis daß er seinen Boten nach Rom gesandt hätte. Also gethan Ende nahm der Kaiser. Dies war Kaiser Heinrich der Uebele. Er ließ das beste Roß, das er im Lande fand, binden und in den Rhein werfen, bis es ertrank. Er ließ einen seinen Mann die Kaiserin um ihre Minne bitten. Das war ihr leid. Der Ritter bat sie sehr, da sprach die Fraue: „sie wolle thun, als ihr Herr rathen würde.“ Da dies der Kaiser vernahm, gebärdete er, als er ausreiten wollte; legte des Mannes, der nach seinem Rathe das geworben hatte, Kleider an, und kam des Nachts zu der Kaiserin. Die Kaiserin hatte bereit starke Männer in Weibsgewand, die trugen große Knüttel, sie nahmen den Kaiser unter sich und schlugen ihn sehr. Der Kaiser rief, daß er es wäre. Die Kaiserin erschrak und sprach: „Herr, ihr habt übel an mir gethan.“


Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_206.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)