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487.
Graf Hoyer von Mansfeld.
Mündlich. Vergl. Oberlin u. Jodute.


In dem sogenannten Welpshölzchen, wo im Jahr 1112 die Schlacht zwischen Kaiser Heinrich V. und den Sachsen vorfiel, liegt ein Stein, der die Eigenschaft hat, bei Gewitter ganz zu erweichen, und erst nach einiger Zeit wieder hart zu werden. Er ist voller Nägel geschlagen, und man sieht auf ihm ganz deutlich den Eindruck einer Hand und eines Daumens. Graf Hoyer von Mansfeld, der Oberfeldherr, soll ihn vor der Schlacht ergriffen und gerufen haben: „so wahr ich in diesen Stein greife, so wahr will ich den Sieg gewinnen!“ Auch wurden die Kaiserlichen geschlagen; aber der Hoier blieb todt und wurde von Wiprecht von Groitsch erschlagen. Zu seinen Ehren ließen die Sachsen die Bildsäule eines gehelmten Mannes mit dem eisernen Streitkolben in der Rechten aufrichten, und dem sächsischen Wappen in der Linken. Diese Denksäule nannte man Jodute, da gingen die Landleute fleißig zu beten hin, und auch die Priesterschaft ehrte sie als ein heiliges Bild. Kaiser Rudolf aber, als er 1289 zu Erfurt Reichstag hielt, ließ sie wegnehmen, weil man fast Abgötterei damit trieb, und eine Capelle an der Stelle bauen. Allein das Volk verehrte noch einen Weidenstock in dieser Capelle, von dem die Priester sagten: er habe in jener Schlacht Jodute gerufen, und dadurch den Sieg zuwege gebracht.


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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_207.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)