Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 280.jpg

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Haare mit der Hand hinter die Schulter, und sprach – indem einige Umstehende mit Schlägen droheten: verschont mich mit Schlägen, ich habe ihrer genug ausgehalten, und erkennt euren Udalrich! Das Volk hörte die Stimme des alten Herrn, und erkannte sein Gesicht unter den wilden Haaren. Laut schrie ihm alles zu. Wendilgart war, gleichsam beschimpft, zurück getreten: jetzt erst empfinde ich meines Gemahls gewissen Tod, da mir jemand Gewalt zu thun wagt. Er aber reichte ihr die Hand um sie aufzuheben, an der Hand sah sie eine ihr wohlbekannte Wundennarbe. Wie vom Traum erwachend, rief sie: „mein Herr, den ich auf der Welt am liebsten habe, willkommen mein liebster Gemahl!“ Und unter Küssen und Umarmungen „kleidet euern Herrn und bereitet ihm ein Bad zu!“ Als er angezogen war, sagte er: „laß uns zur Kirche gehen.“ Unter dem Gehen sah er ihren Schleier und fragte: wer hat dein Haupt eingeschleiert? Und als sie antwortete „der Bischof in der Kirchenversammlung“ sprach Udalrich zu sich selbst: nun darf ich dich erst mit der Kirche Erlaubniß umarmen. Geistlichkeit und Volk sangen Loblieder; darauf ging man ins Bad und zur Mahlzeit. Bald versammelte sich die Kirche, und Udalrich forderte seine verlobte Gemahlin zurück. Der Bischof löste ihr den Schleier, und verschloß ihn im Schrein: damit, wann ihr Gemahl früher verstürbe, sie ihn wieder nehmen sollte. Die Hochzeit wurde von neuem gefeiert, und als Wendilgart sich nach

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_280.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)