Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 302.jpg

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Die Pfalzgräfin habe zu einer Zeit geboren, daß niemand wissen könne, ob nicht der Koch oder ein andrer des Kindes Vater sey; „sag nur dem Pfalzgrafen, daß sie mit dem Koch gebuhlt habe, so wird er sie tödten lassen, und du ruhig seyn." Golo sagte „der Rathschlag ist gut" ging daher eilends seinem Herrn entgegen, und erzählte ihm die ganze Lüge. Siegfried erschrak, und seufzte aus tiefem Leid. Da sprach Golo: Herr, es ziemt dir nicht länger, diese zum Weibe zu haben. Der Pfalzgraf sagte: was soll ich thun? Ich will – versetzte der Treulose – sie mit ihrem Kind an den See führen und im Wasser ersäufen. Als nun Siegfried eingewilligt hatte, ergriff Golo Genofeven und das Kind, und übergab sie den Knechten, daß sie sie tödten sollten. Die Knechte führten sie in den Wald, da hub einer unter ihnen an: was haben diese Unschuldigen gethan? Und es entstand ein Wortwechsel, keiner aber wußte Böses von der Pfalzgräfin zu sagen, und keinen Grund, warum sie sie tödten sollten; es ist besser – sprachen sie – daß wir sie hier von den wilden Thieren zerreissen lassen, als unsre Hände mit ihrem Blut zu beflecken. Also ließen sie Genofeven allein in dem wilden Wald, und gingen fort. Da sie aber ein Wahrzeichen haben mußten, das sie Golo mitbrächten: so rieth einer, dem mitlaufenden Hunde die Zunge auszuschneiden. Und als sie vor Golo kamen, sagte er: wo habt ihr sie gelassen? „Sie sind ermordet“ antworteten sie, und wiesen ihm Genofevens Zunge.


Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_302.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)