Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 305.jpg

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Theile des Leibes zu spannen, zwei an die Füße, zwei an die Hände, und dann die Ochsen gehn zu lassen. Und als sie auf diese Weise festgebunden waren, ging jeder Ochse mit seinem Theile durch, und Golo’s Leib wurde in vier Stücke zerrissen.

Der Pfalzgraf wollte nunmehr seine geliebte Gemahlin nebst dem Söhnlein heimführen. Sie aber schlug es aus und sprach: an diesem Ort hat die heilige Jungfrau mich vor den wilden Thieren bewahrt, und durch ein Wild mein Kind erhalten; von diesem Orte will ich nicht weichen, bis er ihr zu Ehren geweiht ist. Sogleich besandte der Pfalzgraf den Bischof Hildulf, welchem er alles berichtete; der Bischof war erfreut und weihte den Ort. Nach der Weihung führte Siegfried seine Gemahlin und seinen Sohn herzu, und stellte ein feierliches Mahl an; sie bat, daß er hier eine Kirche bauen ließe, welches er zusagte. Die Pfalzgräfin konnte fürder keine Speisen mehr vertragen, sondern ließ sich im Walde die Kräuter sammeln, an welche sie gewohnt geworden war. Allein sie lebte nur noch wenige Tage, und wanderte selig zum Herrn; Siegfried ließ ihre Gebeine in der Waldkirche, die er zu bauen gelobt hatte, bestatten; diese Capelle hieß Frauenkirchen (unweit Meyen), und manche Wunder geschahen daselbst.


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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_305.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)