er nichts sähe; so fuhren sie lang’ und weit, bis endlich
der Schwan das Schloß Megen erkannte, wo
seine Herrin wohnte, kümmerlich als eine arme Witwe
in fremdem Lande, ihre beiden Kinder auferziehend.
Der Schwan, als er nun seinen gewohnten Aufenthalt
erblickte, schlug die Flügel, erhob sich in die Lüfte
und flog zum Graben, wo ihn die Frau aus ihrer
Hand fressen ließ. Als sich aber Salvius von seinem
Führer verlassen sah, wurde er betrübt, landete mit
seinem Nachen und sprang ans Land; er hielt den
Bogen gespannt und dachte den Schwan zu schießen,
falls er ihn erreichen könnte. Wie er nun weiter
ging, und den Vogel im Schloßgraben fand, leg« er
den Pfeil auf und zielte. Indem war die Frau ans
Fenster getreten, den Schwan zu liebkosen, und sah
einen fremden Mann darauf anlegen. Erschrocken rief
sie laut in griechischer Sprache: Ritter, ich beschwöre
dich, tödte mir nicht diesen Schwan. Salvius Brabon,
der sich mit diesen Worten in einem wildfremden
Lande, und durch eine Frau in seiner Sprache anrufen
hörte, war überaus betroffen, zog jedoch die, Hand
vom Bogen, und that den Pfeil vom Strang; darauf
fragte er die Frau auf griechisch, was sie in dem abgelegenen,
wilden Lande mache? Sie aber war noch
mehr erschrocken, sich in ihrer Muttersprache anreden
zu hören, und lud ihn ein „in die Burg zu treten, so
würden sie sich vollständig einander Aufschluß geben
können;“ welches er auch mit Vergnügen annahm.
Als er innen war, fragte sie ihn eine Menge Dinge,
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_309.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)