Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 347.jpg

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geborene Markgräfin zu Stade und Salzwedel, Adelheid genannt, ein junges, schönes Weib, brachte ihm keine Kinder. Heimlich aber buhlete sie mit Ludwig, Grafen zu Thüringen und Hessen, und verführt durch die Liebe zu ihm, trachtete sie hin und her: wie sie ihres alten Herrn abkommen möchte, und den jungen Grafen, ihren Buhlen, erlangen. Da wurden sie einig, daß sie den Markgrafen umbrächten auf diese Weise: Ludwig sollte an bestimmtem Tage eingehen in ihres Herrn Forst und Gebiet, in das Holz, genannt „die Reißen, am Münchroder Feld (nach andern, bei Schipplitz)“ und darin jagen, unbegrüßt und unbefragt; dann so wollte sie ihren Herrn reizen und bewegen, ihm die Jagd zu wehren; da möchte er dann seines Vortheils ersehen. Der Graf ließ sich vom Teufel und der Frauen Schöne blenden, und sagte es zu. Als nun der mordliche Tag vorhanden war, richtete die Markgräfin ein Bad zu, ließ ihren Herrn darin wohl pflegen und warten. Unterdessen kam Graf Ludwig, ließ sein Hörnlein schallen und seine Hündlein bellen, und jagte dem Pfalzgraf in dem Seinen, bis hart vor die Thür. Da lief Frau Adelheid heftig in das Bad zu Friedrichen, sprach: es jagen dir ander Leut freventlich auf dem Deinen; das darfst du nimmer gestatten, sondern mußt ernstlich halten über deiner Herrschaft Freiheit. Der Markgraf erzürnte, fuhr auf aus dem Bad, warf eilends den Mantel über das bloße Badhemd, und fiel auf seinen Hengst, ungewapnet und ungerüstet. Nur wenig

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_347.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)