Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 357.jpg

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552.
Ludwig baut eine Mauer.
Bange Bl. 62. 63.

Winkelmann VI. 234.
Rohte 1685.


Ein Mal führte der eiserne Landgraf den Kaiser Friedrich Rothbart, seinen Schwager, nach Naumburg aufs Schloß; da ward der Kaiser von seiner Schwester freundlich empfangen, und blieb eine Zeit lang da bei ihnen. Eines Morgens lustwandelte der Kaiser, besah die Gebäu und ihre Gelegenheit, und kam hinaus auf den Berg, der sich vor dem Schloß ausbreitete. Und sprach: „eure Burg behaget mir wohl, ohne daß sie nicht Mauern hier vor der Kemnate hat, die sollte auch stark und feste seyn.“ Der Landgraf erwiederte: „um die Mauern sorg' ich nicht, die kann ich schnell erschaffen, so bald ich ihrer bedarf.“ Da sprach der Kaiser: „wie bald kann eine gute Mauer hierum gemachet werden?“ „Näher dann in drei Tagen“ antwortete Ludwig. Der Kaiser lachte, und sprach: „das wäre ja wunder; und wenn alle Steinmetzen des deutschen Reichs hier beisammen wären: so möchte das kaum geschehen.“ – Es war aber an dem, daß der Kaiser zu Tische ging; da bestellte der Landgraf heimlich mit seinen Schreibern und Dienern: daß man von Stund an Boten zu Roß aussandte zu allen Grafen und Herrn in Thüringen, und ihnen

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_357.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)