Tochter über zwölf Jahre daheim behalten durfte.
Daneben aber ist er andächtig gewesen, fleißig in die
Messe gegangen, hat auch die Gezeiten St. Marien
mit großer Andacht gesprochen. Dieser hat einsmals
zu seiner Buhlschaft reiten wollen, und zuvor, seinem
Gebrauch nach, die Gezeiten St. Marien mit großer
Andacht gesprochen; wie er nun in der Nacht im Finstern
allein über den Hellerstein geritten, hat er
des rechten Weges gefehlt, und ist auf den hohen Felsen
des Berges gekommen, wo das Pferd zwar stutzte,
der Ritter aber meinte, es scheue vor irgend einem
Thier; gab ihm deßwegen im Zorn den Sporn, also
daß das Roß mit ihm den hohen Felsen hinabgesprungen
und sich zu Tod gefallen; auch ist der Sattel mit
sammt dem Schwert in der Scheide an vielen Stücken
zerbrochen. Der Ritter aber hat in dem Fall noch
die Mutter Gottes angerufen, und da hat ihn gedäucht:
als werde er von einer Frau umfangen, die ihn
sanft und unverletzt auf die Erde gesetzt.
Nach dieser wunderbaren Errettung ist er nach Eisenach in ein Kloster gegangen, hat sein Leben gebessert, all sein Gut um Gottes Willen von sich gegeben, und als ein Mönch barfuß und in Wolle sein Brot gebettelt. Auch, als 1347 sein Tod herannahete, hat er nicht bei andern frommen Christen sein Ruhebettlein haben wollen: sondern an einem heimlichen, unsaubern Orte, zwischen der Liebfrauen-Kirche und der Stadt-Mauer begraben seyn wollen, seine unreine Thaten desto härter zu büßen; wie auch geschehen ist.
Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_391.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)