Seite:Deutsche Sagen (Grimm) V2 393.jpg

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noch steht dabei ein Haus dieses Namens. Man zeigt noch das dreischläfrige Bett mit rundgewölbtem Himmel, grün angestrichen; auch zu Tonna den türkischen Bund und das goldne Creuz der Sarazenin. Der Weg, den sie zu der Burg pflastern ließ, heißt bis auf den heutigen Tag: der Türkenweg. Die Burggrafen von Kirchberg besitzen auf Farrenrode, ihrer Burg bei Eisenach, alte Tapeten, worauf die Geschichte eingewirkt ist. Auf dem Petersberge zu Erfurt liegen die drei Gemahel begraben, und ihre Bilder sind auf dem Grabsteine ausgehauen (gestochen in Frankensteins annal. nordgaviens).





576.
Hungersnoth im Grabfeld.
Annales fuldenses ad ann. 850.


Als im Grabfeld große Hungersnoth herrschte, wanderte ein Mann mit seiner Frau und einem zarten Kinde nach Thüringen aus, um dem Mangel auszuweichen. Unterweges in einem Wald übernahm ihn das Elend, und er sprach zur Frau: „thun wir nicht besser, daß wir unser Kind schlachten und sein Fleisch essen, als daß wir selbst durch die Nahrungslosigkeit verzehrt werden?“ Die Frau widersetzte sich einem so großen Verbrechen; zuletzt aber drückte ihn der Hunger so, daß er das Kind gewaltsam aus den Mutterarmen riß und seinen Willen durch die That ausgeführt hätte: wenn nicht Gottes Erbarmen zuvorgekommen wäre. Denn indem er, wie er hernachmals in Thüringen oft erzählte, das Schwert zog, um das Söhnlein zu würgen, sah er in der Ferne zwei Wölfe über einer Hindin stehen und sie zerfleischen

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Brüder Grimm: Deutsche Sagen, Band 2. Nicolai, Berlin 1818, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_Sagen_(Grimm)_V2_393.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)