Seite:Deutsche als Franktireure im Jahre 1870.pdf/3

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Deutsche als Franktireure im Jahre 1870 (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3)

So weit General Necrot. Selbst angenommen, er habe mit seinen Zahlen reichlich hoch gegriffen, so bleibt die Tatsache, daß auch 1870 wie zur Zeit des ersten Napoleon Deutsche gegen Deutsche gefochten haben, doch immer noch bestehen, da die Behauptungen des französischen Generals ja auch in deutschen Werken über den Feldzug gegen unseren westlichen Nachbar eine für uns recht demütigende Bestätigung finden. So berichtet Theodor Fontane in seinem Buche „Kriegsgefangen“ bei der nach der Erzählung eines Mitkämpfers niedergeschriebenen Schilderung des nächtlichen Überfalles auf das von den Deutschen besetzte Dorf Ablis durch Franktireure folgendes: „Wir drängten das, was uns gegenüberstand, mehrmals bis an die Einfassungsmauer des Dorfes mit dem Bajonett zurück. Aber jedesmal, wenn wir anschlugen, um eine volle Salve in den dichten Haufen hinein abzugeben, hieß es aus dieser Masse heraus, die wir in der Dunkelheit nicht erkennen konnten: ‚Schießt nicht, Kinder, wir sind ja Preußen!‘ Im selben Augenblick trafen uns Kugeln von hinten her. Nun machten wir kehrt, glaubten wirklich den Feind nur im Rücken zu haben. Aber schon umzischten uns wieder von vorne die Kugeln.“ Daß die, die auf diese Weise die schwerbedrängten Verteidiger von Ablis narrten, nicht etwa deutschsprechende Franzosen, sondern tatsächlich Deutsche waren, zeigte sich nach Beendigung des furchtbaren nächtlichen Kampfes, bei dem nur zweiundsechzig Mann auf deutscher Seite mit dem Leben davonkamen, die von den Franktireuren gefangengenommen und am Morgen in einem großen Zimmer eines Gehöftes förmlich ausgeplündert wurden. „Auf dem Tische lag alles aufgeschichtet, was man den Toten draußen an Geld und Geldeswert geraubt hatte; jetzt mußten auch wir hergeben, was wir in unseren Taschen hatten. Mitunter half eine Franktireurhand nach und beschleunigte die Untersuchung. Nun ging es an ein Sortieren und Teilen. Ein Zehntalerschein, dessen Wert der großen Mehrzahl ein Geheimnis war, wurde verächtlich beiseite geschoben. In demselben Augenblick aber fuhr durch die dem Tisch Zunächststehenden eine Hand hindurch, griff nach dem Schein und sagte mit unverkennbarem Berliner Akzent: ‚Dir kann ick jrade jebrauchen!‘“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Deutsche als Franktireure im Jahre 1870 (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_als_Franktireure_im_Jahre_1870.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)