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Walther Kabel: Deutsche als Franktireure im Jahre 1870 (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3)

Besonders gegen den dunklen Wald als Hintergrund war’s ein unsicheres Schießen. Immer häufiger schlugen die Geschosse neben uns ein. Gefreiter Rohde erhielt einen Kopfschuß und war sofort tot. Um neun Uhr abends vermochten bei uns nur noch drei Mann das Gewehr zu handhaben. Die anderen waren meist schwerverwundet oder tot. Schweigend lagen wir drei Unverletzten auf dem harten Boden. Gegen zehn Uhr bemerkte ich einen dunklen Schatten, der auf uns zukroch. In demselben Augenblick rief mir der keine zehn Schritte mehr entfernte Mann in deutscher Sprache mit unterdrückter Stimme zu: ‚Nicht schießen! Ich will euch retten! Ich bin ein Brandenburger.‘ Dann hockte der Mann, der, soweit ich in der Dunkelheit erkennen konnte, schon etliche vierzig Jahre alt sein mußte und ein bärtiges, listiges Gesicht hatte, neben mir. ‚Wenn ich hundert Taler bekomme, rette ich euch,‘ sagte der Mensch. ‚Ich weiß hier Bescheid. Drüben führt ein Stufenpfad aus dem Steinbruch heraus. Die Franktireure halten jetzt nur den Eingang besetzt, da ihr hier ja wie in der Mausefalle festsitzt.‘

Ich war so empört, daß ich den habgierigen Burschen, der die Notlage seiner Landsleute derart auszunützen suchte, am liebsten mit dem Kolben niedergeschlagen hätte. Doch die Klugheit verbot einen solchen Gewaltstreich. ‚Und was wird aus unseren Toten und den drei Verwundeten?‘ fragte ich nach einer Weile. – ‚Unsere Abteilung kommandiert ein Pole, der hält strenge Mannszucht,‘ antwortete er schnell. ‚Es ist ein Adliger, der keine Roheiten duldet. Entschließt euch. Zu lange kann ich nicht fortbleiben.‘

Wir gaben dem Elenden alles Geld, was wir hatten, gegen neunzig Taler. Auch meine goldene Uhr und die des Einjährigen Schmelter, der einen Schulterschuß hatte, erhielt er noch. Schmelter war es, der meine letzten Bedenken beseitigte. Der Mann schwor ja auch hoch und heilig, die Verwundeten würden aufs beste verpflegt werden.

Wir gelangten auch wirklich unbemerkt aus der Schlucht heraus. Am Rande des Waldes trennte der Brandenburger sich von uns. Schmelter erzählte mir später, daß der jämmerliche Kerl, der unser Retter wurde, nachher nochmals in den

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Walther Kabel: Deutsche als Franktireure im Jahre 1870 (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1915, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutsche_als_Franktireure_im_Jahre_1870.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)