Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern | |
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Im Tempel.
Der Priester schweigt, es sendet die Gemeine
Von halbbewegten Lippen stumme Bitte;
Andächtig gießet ihre Heil’genscheine
Die Sonne nieder in der Beter Mitte.
Die Hände faltet sie nach frommer Sitte,
Und neiget jetzt mit friedlicher Geberde
Ihr schönes Haupt demüthiglich zur Erde.
Du sel’ges Kind! wie fühl’ ich deine Nähe!
In meiner Brust, so oft ich nach dir sehe,
Thut sich der Himmel auf und quellen Lieder;
Und wie ich ganz in dich verloren stehe,
Gebiert dein heil’ger Sinn in mir sich wieder.
Und dein Gebet, dein Wesen wird das meine.
Da weckt mich wunderbar aus meiner Stille
Der Glocken Klang und des Gesanges Wogen:
Es kommt dein Bild in unnennbarer Fülle
Mein Geist ergießt sich durch die ird’sche Hülle,
Von Liedern und Gebeten hingezogen;
Ich bin bei dir, die Orgel hör’ ich rauschen,
Und mein’ an deiner frommen Brust zu lauschen.
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_135.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)