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Die verlorene Kirche.

Man höret oft im fernen Wald
Von obenher ein dumpfes Läuten,
Doch Niemand weiß, von wann es hallt,
Und kaum die Sage kann es deuten.

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Von der verlornen Kirche soll

Der Klang ertönen mit den Winden;
Einst war der Pfad von Wallern voll,
Nun weiß ihn Keiner mehr zu finden.

Jüngst gieng ich in dem Walde weit,

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Wo kein betretner Steig sich dehnet,

Aus der Verderbniß dieser Zeit
Hatt’ ich zu Gott mich hingesehnet.
Wo in der Wildniß Alles schwieg,
Da hört’ ich das Geläute wieder,

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Je höher meine Sehnsucht stieg,

Je näher, voller klang es nieder.

Mein Geist war so in sich gekehrt,
Mein Sinn vom Klange hingenommen,
Daß mir es immer unerklärt,

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Wie ich so hoch hinaufgekommen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_163.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)