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„Dir soll dein eignes Aug’ die Antwort sagen.“
Und langsam, fast als ob sie niederthaute,
Sank ab des Hauptes feuchte Nebelhülle,

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Daß frei der Graf in’s bleiche Antlitz schaute.

„Wie nun? Wie faßt dich nun des Grausens Fülle?“
Sprach ihn der Todte an. „Du, froh im Krieg,
Achtlos, ob rings Kanonendonner brülle!
Sonst labte dich mein Blick. O, wie der Sieg

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Nach manches Tages wetterschwangerm Dräuen

Begeisternd uns am Abend niederstieg!
Du Fürst, ich dein Gefährt’. Es mußt’ uns scheuen
Der Frank’ auf den westphälischen Gefilden,
Sich deutscher Muth an unserm Muth erneuen.

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Wie dann wir südlich zogen, nach den milden

Provinzen Portugall’s, und seiner wahrten,
Bemüht, sein Volk zu wackrer That zu bilden, –
Weh’ mir, daß wir zum Rückweg je uns schaarten!
Die Fahrt den andern Brüdern all’ erfreulich,

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War die unsel’ge mir vor allen Fahrten.

Sey Tod im Kriege schwer, im Meer abscheulich,
Doch gleicht er seinem Bruder nicht, dem grassen,
Den uns die eig’ne Brust gebiert untreulich.
Es kam dein süßes Weib dich zu umfassen,

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Da klang’s im glüh’nden Herzen mir: Entbehrung!

Und nimmer konnt’ ich nun vom Grame lassen.
Verderben ward mir deines Glücks Gewährung,
Doch schwieg ich, wie’s der Gott in mir gebot,
Nur froh an eigner nahender Verzehrung.

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Es schwand der Augen Glut, der Wangen Roth,

Die süße Mörd’rin nah, mitleidig immer,
Und sein gejagtes Wild ergriff der Tod.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_197.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)