Seite:Deutscher Dichterwald 215.jpg

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Burg Volmarstein.

1.

Ich will Euch eine deutsche Mähr’ verkünden,
Des freundlichen und ernsten Sinnes voll.
Es steigt in der westphäl’schen Grafschaft Mark
Von kühner Höh’ ein Burggetrümmer auf,

5
Drin gern des sinn’gen Wandrers Tritt verweilt.

Sie heißen’s Volmarstein,
Den Grafen nach, die einstens dort gehaus’t.
Nun stehn die Thürme leer, durch ihre Fenster
Glüht Abendroth und wandelt Zugluft frei,

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Wenn nicht ein wucherndes Gesträuch

Die üpp’gen Gitter drüber hin verzweigt.
Hoch rauscht das Gras im Schloßhof,
Die Mauern nickten ein, und ihre Steine
Sehn gräbergleich aus den Gebüschen vor.

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Im Thal derweile rauschet fort und fort

Der Strom dahin, mit unverstand’nen Lauten
Erzählend noch von mancher alten That,
Und hohe Buchen flüstern mit darein.
Wir Deutsche rasten gern auf solchen Trümmern,

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Drum thut sich vor dem Bild des Volmarstein’s

Das Herz mir auf,
Und zweifl’ ich, liebe Landsgenossen nicht,
Manch’ edlem Herzen noch geht’s eben so.

2.

Wer hat in seiner stolzen Ritterpracht

25
Den großen Grafen Volmarstein gesehn,
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_215.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)