Seite:Deutscher Dichterwald 216.jpg

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Wenn er zum Waidwerk ritt von seiner Burg?
Zwölf weiße Rosse, Hörner goldhell klingend,
Und sieben Koppeln grauer, flücht’ger Doggen,
Die Jäger silberblank an Wehr und Kleid.

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Wer sah ihn, wenn er auszog in die Schlacht?

Gold seine Rüstung, hundert Lanzen starrend
Um des gewalt’gen Herrn gekrönten Helm.
Und wie sein Schlachthorn rief,
Stand’s rings aus reichen Dörfern wimmelnd auf,

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Aus Städten auch, ein kräft’ges Mannenheer,

Und tos’te übermächtig durch das Land,
Bis Siegesfest scholl auf Burg Volmarstein.
Dann ging ein süßes Licht auf
Beim Heldenmahl:

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Des Grafen einzig Kind, Fräulein Ludmille,

Noch überglänzend all’ des Vaters Glanz,
Und doch demüthig, wie ein Reis am Thalstrom.
Glücklicher Graf,
Hüt’ dich! Das Glück schwingt überhoch den Fittig,

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Und droben weilt es nicht. Schon grollt der Kaiser

Ob mancher allzukecken Ritterthat;
Schon lauert grimmig manches Neidhard’s Blick.
Graf, hüte Dich! Hüte Burg Volkmarstein!

3.

Im grünen, sonndurchblickten Bergforst

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Hebt sich ein freudigliches Ballspiel an;

Fräulein Ludmilla ist’s mit ihren Jungfraun,
So hold und frisch, wie schönre Waldesblumen,
Und durch die Zweige weht ein mildrer Lufthauch,
Und heller singen Frühlingsvögel drein.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_216.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)