Seite:Deutscher Dichterwald 220.jpg

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Ritter Roland war der beste Held,
Frau Alda’s Mannen die flohen durch’s Feld.

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Da sah Ritter Roland in die Höh’. –

„Ritter Roland, wird dir krank und weh?
Ritter Roland, traf dein Haupt ein Pfeil?
Oder deine Brust ein geschwungen Beil?“
„Mich traf keine Waffe zu dieser Stund,

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Aber dennoch bin ich todeswund.

Was mich getroffen, das rathet Ihr nicht.
Es kam durch die Luft, wie Sonnenlicht;
Schoß unter zwei schönen Bogen hervor,
Drang aus einem himmelblauen Thor;

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Und soll ich jemals werden gesund,

So ist mein Arzt ein Weibermund.“
Sie riethen es nicht, die Schlacht war aus,
Herr Roland zog still und krank nach Haus.
„Ich freilich rath’ es wohl!“ so sprach zu sich

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Der Freiherr von der Reck und seufzte tief,

Denn von des Schlosses Zinnen
Sah in das Thal Ludmille just herab,
So goldig schön in Abends hellen Lichtern,
Daß sie fast schöner war, als jüngst im Wald.

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Ein Weilchen schweigt der Freiherr, senkt das Haupt, –

Dann sprengt er frisch sein Roß an,
Und denkt: „Herr Roland ritt wohl krank nach Haus,
Der Freiherr von der Reck thut, was sein Amt ist.“ –
Hell freudig trabt er durch die Schaaren hin,

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Und ruft sie an mit heiterm Feldherrnwort,

Verheißt auf Morgen Sturm,
Und alle Mannen jubeln muthig auf,
Schild klirrt an Schild, weithin ertönt
Der Waffen lust’ger Gruß das Thal entklang.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_220.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)