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6.

175
Was flattert von den Thürmen

Des hohen Volmarsteins?
Ei Gott, es ist ein Zeichen, unerhört,
Man hätte meinen sollen, ewig fremd
Auf dieser Mauern trotzigem Gebäu!

180
Es ist die weiße Fahne,

Die Unterhandlung heischt, Ergebung kündet.
„Halt!“ ruft der Freiherr, und die erznen Schaaren,
Von allen Seiten kühn herangerückt,
Sie stehn. Zum Schlosse trabt des Reiches Hauptmann,

185
Und auf dem Wallgang zeigt der Grafe sich,

Hoch, bleich, auch noch in seinem Falle groß.
„Was willst du mir, du tapfrer Volmarstein?“ –
„Die weiße Fahne sagt’s. Spar’ mir das Wort.“ –
„Den freien Abzug, Graf, vergönn’ ich Dir.“ –

190
„Mit allem Gut? – Nein, das verwehrt das Reich.“ –

„So hülflos treibst Du fort den Volmarstein?“ –
„Mir blutet drob das Herz, Du alter Held!
Hör an, was mir des Krieges Recht vergönnt:
Zeuch aus mit all’ der Habe,

195
Die du, samt deinem ganzen Hausgesind

Fortragen kannst durch meiner Schaaren Reihe,
Soweit sich die vom Thor der Veste dehnt.“ –
„Und diese Burg?“ – „Spar’ du auch mir das Wort.
Du weißt, was der Reichsfeinde Häuser trifft.“ –

200
Da fallen große Thränen

Dem Grafen in den Bart.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_221.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)