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Taillefer.

Normannenherzog Wilhelm sprach einmal:
„Wer singet in meinem Hof und in meinem Saal?
Wer singet vom Morgen bis in die späte Nacht,
So lieblich, daß mir das Herz im Leibe lacht?“

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„Das ist der Taillefer, der so gerne singt,

Im Hofe, wann er das Rad am Bronnen schwingt,
Im Saale, wenn er das Feuer schüret und facht,
Wann er Abends sich legt und wann er Morgens erwacht.“

Der Herzog sprach: „ich hab’ einen guten Knecht,

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Den Taillefer, der dienet mir fromm und recht,

Er treibt mein Rad und schüret mein Feuer gut,
Und singet so hell, das höhet mir den Muth.“

Da sprach der Taillefer: „und wär’ ich frei,
Viel besser wollt’ ich dienen und singen dabei.

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Wie wollt’ ich dienen dem Herzog hoch zu Pferd!

Wie wollt’ ich singen und klingen mit Schild und mit Schwert!“

Nicht lange, so ritt der Taillefer in’s Gefild,
Auf einem hohen Pferde, mit Schwerdt und mit Schild.
Des Herzogs Schwester schaute vom Thurm in’s Feld,

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Sie sprach: „dort reitet, bei Gott! ein stattlicher Held.“
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_224.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)