Seite:Deutscher Dichterwald 238.jpg

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Die herrliche, gekrönte Braut
Hat er am Herzen liegen,

115
Und aus den alten Trümmern ist

Ein Königsschloß gestiegen.

8.

Der König und die Königin,
Sie stehen auf dem Throne,
Da glüht der Thron wie Morgenroth,

120
Wie steigende Sonn’ die Krone.


Viel stolze Ritter stehn umher,
Die Schwerdter in den Händen,
Sie können ihre Augen nicht
Vom lichten Throne wenden.

125
Ein alter, blinder Sänger steht

An seine Harf’ gelehnet,
Er fühlet, daß die Zeit erschien,
Die er so lang ersehnet.

Und plötzlich springt vom hohen Glanz

130
Der Augen finstre Hülle.

Er schaut hinauf und wird nicht satt
Der Herrlichkeit und Fülle.

Er greifet in sein Saitenspiel,
Das ist gar hell erklungen,

135
Er hat in Lust und Seligkeit

Sein Schwanenlied gesungen.

 Uhland.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_238.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)