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Goldener.

Ein Kindermährchen.

Es sind wohl zweitausend Jahre, oder noch länger, da hat in einem dichten Wald ein armer Hirte gelebt, der hatte sich ein bretternes Haus mitten im Walde erbaut, darin wohnte er mit seinem Weib und seinen sechs Kindern; die waren alle Knaben. An dem Hause war ein Ziehbrunnen und ein Gärtlein, und wann der Vater das Vieh hütete, so giengen die Kinder hinaus und brachten ihm zu Mittag oder zu Abend einen kühlen Trunk aus dem Bronnen oder ein Gericht aus dem Gärtlein.

Dem jüngsten der Knaben riefen die Eltern nur: Goldener; denn seine Haare waren wie Gold, und ob gleich der jüngste, so war er doch der stärkste von allen und der größte.

So oft die Kinder hinausgiengen, so gieng Goldener mit einem Baumzweige voran, anders wollte keines gehen, denn jedes fürchtete sich, zuerst auf ein Abenteuer zu stoßen, gieng aber Goldener voran, so folgten sie freudig eins hinter dem andern nach, durch das dunkelste Dickicht, und wenn auch schon der Mond über dem Gebirge stand.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_239.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)