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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

3.
Sein Vater kam von Rosenberg

wol vor den Thurm gegangen:
„Ach Sohne, liebster Sohne mein,
wie hart liegst du gefangen!“

4.
‚‚‚Ach Vater, liebster Vater mein!

so hart lieg ich gefangen,
wol vierzig Klafter tief unter der Erd
bei Ottern und bei Schlangen.‘‘‘

5.
Sein Vater zu den Herren gieng,

sprach: „Gebt mir los den Gfangnen!
dreihundert Gulden die will ich euch gebn
wol für des Knaben sein Leben.“

6.
„„Dreihundert Gulden die helfen euch nicht,

der Knabe der muß sterben:
er trägt von Gold eine Kett am Hals,
die bringt ihn um sein Leben.““

7.
„Trägt er von Gold eine Kett am Hals,

die hat er nicht gestohlen,
hats ihm ein zart Jungfräulein verehrt,
dabei sie ihn erzogen.“

8.
Man bracht den Knaben wol aus dem Thurm,

gab ihm die Sacramente:
‚‚‚Hilf, reicher Christ vom Himmel hoch!
es geht mir an mein Ende.‘‘‘

9.
Man bracht ihn zum Gericht hinaus,

die Leiter mußt er steigen:
‚‚‚Ach Meister, lieber Meister mein,
laß mir eine kleine Weile!‘‘‘

10.
„„Eine kleine Weile laß ich dir nicht,

du möchtst mir sonst entrinnen;
langt mir ein seiden Tüchlein her,
daß ich ihm seine Augen verbinde!““

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_013.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)