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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

15a. Graf Friedrich.
(Flieg. Bl. aus der Schweiz vom Jahre 1647.)
1.
Graf Friedrich wollt ausreiten

mit seinen Edelleuten,
wollt holen sein ehliche Braut,
die ihm zur Ehe ward vertraut.

2.
Als er mit seinem hellen Hauf

reit einen hohen Berg hinauf,
an einem kleinen engen Weg
kam er auf einen schmalen Steg.

3.
In dem Gedräng dem Grafen werth

schoß aus der Scheid sein langes Schwert,
verwundet ihm sein liebe Braut
mit großem Schmerz seins Herzen traut.

4.
Das Blut ihr auf die Erden schoß,

des nahm sie einen Schrecken groß;
Graf Friedrich der ward Unmuths voll,
sein liebe Braut er tröstet wohl.

5.
Aus zog er bald sein Hemmet weiß,

druckt ihrs in die Wunden mit Fleiß;
das Hemmet wurd mit Blut so roth,
als ob mans draus gewaschen hat.

6.
Er gab ihr gar sehr freundliche Wort,

kein Mann nie größer Klag erhort,
die von eim Mannesbilde kam,
als von dem Grafen lobesan.

7.
„Graf Friedrich, edler Herre,

ich bitt euch gar sehre,
sprecht ihr zu euerm Hofgesind,
daß sie nicht reiten so geschwind!

8.
„Sprecht ihr zu euern Leuten,

daß sie gemachsam reiten!
ich leid Schmerzen und große Klag
und daß ich nimmer reiten mag.“

9.
Graf Friedrich ruft seinen Herren:

‚‚‚Ihr sollt nicht reiten so sehre!
mein liebe Braut ist mir verwundt,
o reicher Gott, mach mirs gesund!‘‘‘

10.
Graf Friedrich zu seim Hof einreit,

sein Mutter ihm entgegen schreit:
„„Bis Gott willkomm, du Sohne mein,
und All die mit dir kommen sein!

11.
„„Wie ist dein liebe Braut so bleich,

als ob sie ein Kindlein hab gezeugt!
wie ist sie also inniglich,
als ob sie eins Kindleins schwanger sei!““

12.
‚‚‚Ei schweig, mein Mütterlein, stille

und thus durch meinet willen!
sie ist Kindshalben nicht ungsund,
sie ist bis auf den Tod verwundt.‘‘‘

13.
Da es nun was die rechte Zeit,

ein köstlich Wirthschaft ward bereit,
mit aller Sach versehen wohl,
wie eins Fürsten Hochzeit sein soll.

14.
Man setzt die Braut zu Tische,

man gab ihr Wildbrät und Fische
und schenkt ihr ein den besten Wein:
die Braut die mocht nicht fröhlich sein.

15.
Sie mocht weder trinken noch essen,

ihrs Unmuths konnt sie nicht vergessen;
sie sprach: „Ich wollt es wär die Zeit,
daß mir das Bettlein würd bereit.“

16.
Das hört die übel Schwieger,

sie redt gar bald hinwider:
„„Hab ich das mein Tag nie gehört,
daß ein Jungfrau zu Bett begehrt!““

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_042.jpg&oldid=- (Version vom 25.10.2019)