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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

3.
Was zog er von dem Finger?

ein goldnes Ringelein:
„Sieh da, du Hübsch und Feine,
das soll dein Denkmal sein!“

4.
‚‚‚Was soll ich mit dem Ringe?

bin gar ein junges Blut,
dazu ein armes Mädchen,
hab weder Geld noch Gut.‘‘‘

5.
„Bist du ein armes Mädchen,

hast weder Geld noch Gut:
so gedenk an unsre Liebe,
die zwischen uns beiden ruht!“

6.
‚‚‚Ich gedenk an keine Liebe,

ich gedenk an keinen Mann;
ins Kloster will ich ziehen,
will werden eine Nonn.‘‘‘

7.
„Willst du ins Kloster ziehen,

willst werden eine Nonn:
ei so will ich die Welt ausreiten,
bis daß ich zu dir komm.“ –

8.
Es stund wol an ein Vierteljahr,

dem Grafen träumts gar schwer,
wie daß sein herzallerliebster Schatz
ins Kloster gangen wär.

9.
Der Herr sprach zu dem Knechte:

„Sattle mir und dir zwei Pferd!
wir wollen allbeide reiten,
der Weg ist Reitens werth.“

10.
Und als er kam vors Kloster,

ganz leise klopft er an:
„Wo ist die jüngste Nonne,
die letzt ist kommen an?“

11.
„„Es ist ja keine drinnen,

es kommt auch keine raus!““ –
„Ei so will ich das Kloster anzünden,
das schöne Nonnenhaus!“

12.
Da kam sie hergeschritten,

schneeweiß war sie gekleidt;
ihr Haar war abgeschnitten,
zur Nonn war sie bereit.

13.
Sie hieß den Herrn willkommen,

willkommen im fremden Land:
‚‚‚Wer hat euch heißen kommen,
wer hat euch hergesandt?‘‘‘

14.
Der Graf wandt sieh voll Sehnen;

die Red ihn sehr verdroß,
daß ihm die heißen Thränen
von seinen Wangen floß.

15.
Sie bot dem Herrn zu trinken

aus ihrem Becherlein:
in zwei, drei Viertelstunden
brach ihm sein Herz entzwei.

16.
Mit seinem blanken Degen

grub sie ein Gräbelein,
mit ihren zarten Händen
legt sie ihn selber nein.

17.
Mit ihren rothen Lippen

sang sie den Grabgesang,
mit ihrer hellen Stimme
schlug sie den Glockenklang.

1, 1. Ich stand auf hohen Bergen. – 2. Der jüngste von den Grafen, der in dem Schifflein war (was), bot (bracht) mir einmal etc. – 3, 3. Nimm hin, du Hübsche, du Feine, dies soll mein (zum) Denkmal sein! – 4. Was soll ich mit dem Ringlein thun (machn)? ich bin ein junges Blut. – 6. Ich gedenk an keine Liebe, denk auch an keinen Mann, ich gedenk an Gott den Vater, der mir nur helfen

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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_055.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)