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39b. Müllertücke.
1.
Der Müller gieng spazieren aus,

er gieng bis an den Grunwald naus,
begegnen ihm drei Räuber.

2.
„Ei Müller, liebster Müller mein,

wißt ihr kein schwanger Fräuelein?
wir wollen eine kaufen.“

3.
Der Müller verschwört sein Leib und Seel,

er nirgends von einer wissen will,
bis er hatt selber eine.

4.
Der Eine griff in Schubsack nein,

dreihundert Ducaten – die warn sein
für seine schwangre Fraue.

5.
‚‚‚Ei Herre, lieber Herre mein,

für dreihundert Dukaten wird sie nicht sein,
ihr müßt mir sie theurer bezahlen.‘‘‘

6.
Der Andre griff in Schubsack nein,

fünfhundert Dukaten die warn sein –
dem Müller für sein Fraue.

7.
„Da hast, da hast du Müller mein!

fünfhundert Ducaten – die sind dein
für deine schwangre Fraue.“

8.
Und wie der Müller derheime kam,

die Müllerin saß beim Ofenspan,
ihr Herz that ihr erschrecken.

9.
‚‚‚Ach Müllerin, liebste Müllerin mein,

ich hab heut kauft drei wilde Schwein,
ihr müßt sie mir helfen eintreiben.‘‘‘

10.
„„Ach Müller, liebster Müller mein,

wie soll ich sie helfen treiben ein,
ich kann kaum sEhn überschreiten.““

11.
Und wie sie vor in den Grunwald kam,

so sah sie wol bald die drei Räuber stahn;
ihr Herz that ihr erschrecken.

12.
„„Ach Müller, liebster Müller mein,

und sind denn das die drei wilden Schwein,
die ich dir soll helfen eintreiben?““

13.
‚‚‚Ach Müllerin, liebe Müllerin mein,

wo wärn denn das die drei wilden Schwein,
die du mir sollst helfen eintreiben!‘‘‘

14.
Der Eine greift in Schubsack nein,

ein weißes Tüchlein – das war sein,
verbinden der Müllerin die Augen.

15.
Der Andre that ein Würfelspiel,

der Dritte schmiß das Messer hin;
welcher wird denn ihr sHerz abreißen?

16.
Der Herr der ritt spazieren aus,

er ritt bis vor den Grunwald naus,
die Hunde wollen nicht bellen.

17.
„Ach Knecht, du liebster Knechte mein,

was mag denn wol da drinne sein?
die Hunde wollen nicht bellen.“

18.
‚‚‚Ach Herre, liebster Herre mein,

s ist wol mein jüngstes Schwesterlein,
ihr Herz ward abgerissen.‘‘‘

19.
Er schwang sie vor sich auf sein Roß,

er ritt bis vor das hohe Schloß
mit Müllers seiner Fraue.

20.
Der Herr erließ ein scharf Gebot:

Soll jeder Mann sich stelln ins Schloß
mit Weib und Kind und Gesinde!

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_135.jpg&oldid=- (Version vom 26.10.2019)