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Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

13.
„Sie soll mir mittebringen

von weißer Leinwand ein Hemde;

14.
„Das erst ist mir geworden so naß:

was weint sie immer? was thut sie das?“

15.
Und wie der Herr zu Hofe einritt,

die Frau ihm schon entgegen schritt:

16.
„„Bis mir willkommen, o Herre mein!

warum thust du denn so lange sein?““

17.
‚‚‚Warum soll ich denn nicht lange sein,

wenn mich die Todten aus den Gräbern anschrein?

18.
‚‚‚Dein vorger Mann läßt dir mittesagen,

du sollst nicht so weinen und wehklagen;

19.
‚‚‚Du sollst nicht so weinen und traurig thun,

du verstörst ihm seine ganze Ruh.

20.
‚‚‚Du sollst auf den Abend kommen zu ihm,

wenn alle die Leute werdn schlafen gehn,

21.
‚‚‚Wenn alle die Thüren verschlossen sein

und alle Gräber weit offen sein.

22.
‚‚‚Du sollst ihm mittebringen

von weißer Leinwand ein Hemde:

23.
‚‚‚Warum hast du gemacht ihm den Kittel so naß?

ach lieber Gott, warum thust du das?“ –

24.
„„Ich will ihm ein Hemde lassen schneiden

von lauter Sammet und von Seiden;

25.
„„Von Sammet und Seiden und rothem Gold,

weil ich an seinem Tod bin schuld.““ –

26.
Der Herr der war nicht faule,

er schlug die Frau ins Maule;

27.
Er schlug die Frau ins Angesicht:

‚‚‚Ist dir dein vorger Mann lieber als ich?‘‘‘ –

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_159.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2019)