Seite:Deutscher Liederhort (Erk) 262.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
5.
Dieses hab ich noch zuletzt

meiner Tausend-Freude
jetzt zur Nachricht ausgesetzt;
und nun heißts: Ich scheide!
Lebe du in Fried und Ruh,
bis du thust die Augen zu;
reich mir deine Hände,
denn es geht zum Ende.

In neuster Zeit hat F. Silcher zu vorstehendem Liede eine vortreffliche Melodie gesetzt, die jetzt allgemein beliebt geworden und der obigen Originalmelodie an Werth wol nicht nachsteht. (s. dieselbe in dessen „XII Volksliedern für Männerstimmen“ etc. H. III, Nr. 8. [Vom J. 1831.])

1, 1. Jetzund (Morgen) reis (muß) ich weg von hier. – An diesem Liede hat die Neuzeit leider mehr geändert, als nöthig gewesen; z. B. Str. 2, 3: „Sonn und Mond (das will doch wol nicht viel besagen!) bewegen sich, ehe sie sich trennen.“ Auch die in Simrock’s Volksliedern (S. 263) aufgenommene 3. Str. „Dort auf jener grünen Au steht mein jung frisch Leben: Soll ich denn mein Leben lang in der Fremde schweben? Hab ich dir was Leids gethan, biet ich dir Verzeihung an. Reich mir Mund und Hände, denn es geht zum Ende.“ – ist neuern Ursprungs. Vgl. Wunderhorn. III, 31. (Neuste Aufl. III, 32.) – Um diese und ähnliche Aenderungen näher prüfen zu können, möge hier noch die ältere (der 2. Hälfte des XVII. Jahrh. angehörige) Lesart eine Stelle finden. Es sei bemerkt, daß sich dieser ältere Text (nur in etwas verwilderter Form) in vielen flieg. Bl. aus der Zeit von 1750–1820 erhalten hat. Vgl. auch Erk’s Volkslieder, B. I, H. 4, S. 46, Nr. 41.


111a. Abschied.
1.
Nun so reis ich weg von hier

und muß hinfort meiden
dich, mein allerschönste Zier!
Scheiden das bringt Leiden;
Scheiden macht mich so betrübt,
weil ich die, die mich geliebt
über alle Maßen,
soll und muß verlassen.

2.
Wenn zwei gute Freunde sich

von einander trennen,
wie das ist so jämmerlich,
mußt du selbst bekennen;
noch viel größer ist der Schmerz,
wann ein treu verliebtes Herz
muß von seines Gleichen
eine Zeitlang weichen.

3.
Sollte man mir Seel und Herz

von einander reißen,
wär es doch kein solcher Schmerz
gegen den zu heißen,
wenn ein fest verbundnes Paar,
das da stets beisammen war,
von einander scheiden;
ach, das bringet Leiden!

4.
Ach, ihr lieben Götter ihr!

könnt denn ihr das sehen,
daß ich forthin für und für
soll in Lieb vergehen?
Wann ich habe was gethan,
höret nur mein Zeugen an:
war nicht mein Gewissen
stets aufrecht beflissen?

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_262.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2019)