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5.
„Der Schnee der ist zerschmolzen,

das Wasser läuft dahin:
kommst du mir aus den Augen,
kommst du mir aus dem Sinn.“

(Vielfach mündlich, aus der Gegend von Potsdam, Gramzow [Ukermark], Wrietzen [Oderbruch], aus Schlesien, Ober-Hessen, Franken, Sachsen, aus dem preußischen Samland und der Mosel-Gegend [Karden] u. s. w.)

1. Ja grüne ist die Linde, von Laub so grün und breit; ich hab mein Lieb verloren, der Schadn der ist mir leid. (Oberhessen.) 1, 4. Wie wirs gelernet han. – 2, 1. Ich hört ein Sichel rauschen, sie rauscht wol durch das Korn. 2, 4. sie hat ihr Ehr verlorn. – 3, 3. so gebn wir uns beide zusammen und winden ein Kränzelein! – 4, 1. Ein Kränzelein von Violen. 4, 3. zu Coblenz (Straßburg) auf der Brücke. (Vgl. A. Elwert, „Ungedruckte Reste alten Gesangs.“ S. 51.) – 5, 3. In mein Feinliebchens Garten, dahin steht all mein Sinn. – 6. In mein Feinliebchens Garten da stehn zwei Bäumelein; das eine trägt Muscaten, das andre braun Nägelein. – 7. Muscaten die sind süße, braun Nägelein die sind gut: Ei so wünsch ich meinem Herzliebchen einen frischen und fröhlichen Muth. (Vgl. Liederhort. 283.) – Im Wunderhorn. B. II, 50. (1808.) ist dies Lied nicht frei von Zuthaten. (Str. 2, V. 3 u. 4, Str. 4 u. 5 neuern Ursprungs.) In neuster Aufl. III, 113. wieder mit andern Zuthaten versehen; z. B. in Str. 1, V. 3, Str. 5, V. 3 u. 4. Auch ist die ältere Lesart aus dem 16. Jahrh. mit hineingezogen.

Aus vorstehendem Liede ergiebt sich wol zur Genüge der ursprüngliche Zusammenhang folgender Lieder aus dem 16. Jahrh.: Ich hört ein Sichelein rauschen – und: Schein uns, du liebe Sonne. (Uhland. I, 78, 75.) Wie es bei Volksliedern von geringer Strophenanzahl von jeher Brauch gewesen, daß die Sänger behufs der augenblicklich beliebten Verlängerung des angestimmten Liedes gern noch ein zweites, ja sogar drittes von gleichem Metrum mit heranziehen, ähnlich so mag es auch gekommen sein, daß sich in den Liedersammlungen des 16. Jahrh. mit dem letztern der oben genannten Lieder noch ein zweites: Dort nieden in jenem Holze. (Uhland. I, 76.) verpaart hat. In dieser Zusammensetzung möge dasselbe denn auch hier eine Stelle finden. Die dazugehörige ältere Volksmelodie habe ich bis jetzt noch nicht auffinden können. (Die in C. F. Becker’s „Liedern und Weisen vergangener Jahrhunderte. Leipzig, 1851.“ H. 3, S. 18 abgedruckte Melodie ist wol nur als eine von Ant. Scandellus componierte und dann weiter von Hrn. Becker umgeformte, nicht aber für eine ächte Volksmelodie anzusehen.) Ueber das Lied: „Ich hört ein Sichelein rauschen“ – weiter unten das Nähere. Nur Str. 1, wie sich dieselbe in den „Graßliedlin.“ (einer Liedersammlung aus der ersten Hälfte des 16. Jahrh.) vorfindet, möge hier als Einleitung stehen:


143a. Sichelein.

Ich hort ein Sichellin rauschen,
wol rauschen durch das Korn,
ich hort ein feine Magd klagen:
sie hätt ihr Lieb verlorn. :|:

(„Graßliedlin.“ [Altus.] In kl. 8. Querformat. Nr. 15.)
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_314.jpg&oldid=- (Version vom 29.10.2019)