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7.
Ich hör ein großes Schweigen,

das Kränzlein will mir beleiben.
So merkt mich, liebe Jungfrau mein:
ihr möget wol die mittelst Blum im Kränzlein sein!
Darum so kumm ich für euch getreten,
und hab euch vor zwei Mal gebeten,
so bitt ich euch, zarts Jungfräuelein,
zum dritten Mal um euer Kränzelein.
Jungfrau, hebt auf eur schneeweiße Hand
und gebt dem Kränzlein einen Schwank
und setzt mirs auf mein gelbes Haar!
das sicht gleich wie ein Igel zwar.

8.
So schau, gut Gsell, so schaue!

das gab mir ein schöne Jungfraue,
die Jungfrau die mir das gab,
sie sprach: „Gut Gsell, behalt dir das!“
Jungfrau, habt ihr kein kleins Glüfelein,
daß ihr mir aufheftet mein Kränzelein?
und daß ich es nicht verliere
wo ich hin gieng spazieren,
und daß ichs nicht verzette
bis daß ich käm zu meim Bette,
darnach so leg ichs in mein Truchen,
darinn liegt es die ganzen Wuchen.

9.
Jungfrau, ich sollt euch grüßen

von der Scheitel bis auf die Füße,
so grüß ich euch so oft und dick
als mancher Stern am Himmel blickt,
als manche Blum gewachsen mag
von Ostern bis auf Sanct Michels Tag.
Jungfrau, ich sollt euch danken
mit Schwaben und mit Franken,
so ich die Franken nicht mag haben,
so dank ich euch mit allen Webersknaben,
seind euch dieselben unbekannt,
so dank ich euch mit meiner eigen Hand.

10.
Jungfrau, ich sollt euch schenken,

ich will mich nicht lang bedenken:
so schenk ich euch ein gülden Wagen,
darin sollt ihr gen Himmel fahren,
und ein gülden Kron, drei edel Stein,
darinn ist so schön der erste Stein,
der ist auch also gute:
Gott behüt euch vor der Höllen Glute!
der ander ist so tugendreich:
Gott der geb euch sein Himmelreich!
der dritt Stein ist so tugendhaft:
Gott behüt euch euer Jungfrauschaft!
Damit so will ichs bleiben lahn
und jetz aus diesem Reihen gahn,
so stand ich auf eim Gilgenblatt,
Gott geb euch Allen ein gute Nacht!

„Ein andere Frag aufzugeben.“

     Ein Frag.

11.
Singer, nu sag mir behend,

wann es hat weder Füß noch Händ,
und darzu weder Kopf noch Nas
und lauft geschwinder dann ein Has?
thu mir die Frag singen oder sagen,
so will ich dich für ein Singer haben.

     Antwort.

12.
Singer, das sag ich dir geschwind:

und Dasselb ist fürwahr der Wind,
der hat doch weder Kopf noch Nas
und lauft geschwinder dann ein Has.

     Frag.

13.
Singer, so sag mir doch allhie,

und was Gott hat gesehen nie
und gesicht es auch nimme?
merk, Singer, auf mein Stimme!
ein Bauer sicht es alle Tag:
sag mir allhie auch diese Frag

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin 1856, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_343.jpg&oldid=- (Version vom 27.10.2019)