Seite:Deutscher Liederhort (Erk) p 008.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort

Gunst steht, daß sie durch seine Förderung ihre Empfänglichkeit erhöhen möchten. Was ich aus vorhandenen Quellen geschöpft, ist an seiner Stelle gewissenhaft bezeichnet; das Neuhinzugekommene durch den Zusatz „mündlich“ u. dergl. zu erkennen. Bei jeder Melodie sind Boden, Ort, Gegend, welchen sie entsprossen, genau angemerkt und zwar bis ins kleinste, was bisher so oft zum Nachtheil der Forschung fortgeblieben ist. Auf diesem Wege der mündlichen Tradition, der ich seit dreißig Jahren mit Vorliebe nachgegangen, ließe sich noch Vieles zu Tage fördern, wenn Sachkundige, besonders Lehrer, sich ihrer Erforschung widmen wollten. Wol sagt der edle und verdiente A. von Arnim, Wunderhorn, im I. Bande S. 464: „Wär ich ein Bienenvater, ich würde sagen, das war der letzte Bienenstock, er wollte eben wegschwärmen, es hat uns wol Mühe gemacht, ihn im alten Hause zu sammeln.“ Und in demselben Sinne mahnt Gräter (Bragur III, 263): „Wahrlich, es ist hohe Zeit, unsere Volkslieder zu sammeln. Es verschallt eins nach dem andern.“ Aber trotzdem ist die mündliche Tradition stark genug, durch sie noch Schätzbares zu erlangen, Unvollkommenes der früheren Ueberlieferung durch diesen immer sprudelnden Quell zu läutern, seis am Text, seis an der Melodie. Daß ich auf diese zunächst den größeren Werth gelegt, ist aus meinem überwiegend musikalischen Standpunkte, aus den eigenthümlichen Studien wol erklärlich, und in dieser Hinsicht von Musikern mit eingehendem, nicht mit obenhin absprechendem Urtheil geprüft zu werden, ein verzeihlicher Wunsch. Ich meines Theils denke, daß sich aus dem Volksliede noch Manches, was bisher ungewürdigt, für die Theorie der Musik ergeben muß. So, um nur dieses einen Punktes zu erwähnen, die rhythmische Seite, welche durch die leichtere Uebertragung des sprachlichen Rhythmus auf den musikalischen eine große Manichfaltigkeit der Erscheinungen bietet. Resultate dieser Forschungen auf rhythmischem, melodischem und harmonischem Gebiete hoffe ich später nach Vollendung dieses Werkes ausführlicher darzulegen.

Wiewol nun Neigung und Berufsthätigkeit meine Aufmerksamkeit vorzüglich auf die Melodie gerichtet, so ist der Text mir weder gleichgültig gewesen noch durfte er an sorgfältiger Pflege zurückbleiben. Bei jedem einzelnen


    Beispiel zu geben, Ernst Meiers „schwäbische Volkslieder. Berlin, 1855.“, woselbst kaum eine Melodie zu finden, die nicht von Auswüchsen jeglicher Art entstellt wäre – s. die Melodie Nr. 5, II (S. 414), Nr. 15 (S. 419), Nr. 19 (S. 422), in welchen 3theiliger Takt mit 2theiligem, und umgekehrt, 2theiliger mit 3theiligem Takt verwechselt worden; sodann die ganz absonderliche, d. h. allem gesunden musikalischen Gefühl widersprechende, Art 2stimmig zu harmonisieren in Nr. 16 u. 17 (s. 420), Nr. 23 (s. 425) u. s. w. – mit der offenbar auf musikalischem Unverstand beruhenden absprechenden Kritik in Nr. 221 der Augsburger Allgem. Zeitung vom Jahre 1852.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Erk (Herausgeber): Deutscher Liederhort. Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin, Berlin, Preußen 1856, Seite VIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Liederhort_(Erk)_p_008.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)