Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 1.pdf/169

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

analog derjenigen für das Landheer, nicht hat. Die große Entwickelung der deutschen Marine seit 1888, die dem deutschen Volk zum ersten Male in seiner Geschichte eine seinen Seeinteressen entsprechende Flotte schuf, ist an anderer Stelle darzulegen.

5. Genfer Konvention.

Die im Jahre 1864 abgeschlossene Genfer Konvention zum Schutze der Verwundeten und Kranken im Kriege hatte sich in mehreren Punkten als dringend revisionsbedürftig erwiesen. Zur Erledigung dieser Aufgabe berief die Schweiz im Jahre 1906 eine internationale Konferenz nach Genf, die in eingehenden und wertvollen Verhandlungen einen vollkommen neuen Staatsvertrag ausarbeitete, der allgemeine Annahme seitens der vertretenen Staaten fand. Die Haager Friedenskonferenzen von 1899 und von 1907 arbeiteten sodann einen analogen Staatsvertrag für den Seekrieg aus. Über den Gebrauch des durch diese Staatsverträge anerkannten Schutzzeichens des roten Kreuzes im weißen Felde sind von Reichs wegen bereits 1903 feste Grundsätze aufgestellt, nachdem schon 1902 ein Strafgesetz gegen den Mißbrauch dieses Schutzzeichens erlassen worden war. Ein internationales Abkommen über Abgabenfreiheit der Lazarettschiffe in Kriegszeiten war bereits 1904 zustande gekommen.

6. Haager Abkommen.

Auf den beiden Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 wurde ferner ein großes internationales Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges zustande gebracht, an dessen Feststellung das Deutsche Reich durch hervorragende Offiziere (von Schwarzhoff 1899, von Gündell 1907) ausgezeichneten Anteil nahm; die umfassende Kriegsrechtskodifikation von 1899 wurde auf der zweiten Friedenskonferenz 1907 in einigen Punkten abgeändert, der Gesamttext in neuer Fassung festgestellt, deutscherseits ratifiziert und steht in dieser Fassung heute in Kraft. Durch einige besondere Abkommen fand dann weiterhin auf der zweiten Friedenskonferenz noch eine Ergänzung des großen Abkommens statt; insbesondre wurden durch ein solches Abkommen die Rechte und Pflichten der neutralen Staaten in Kriegszeiten festgestellt. – Ferner beschäftigte sich die zweite Friedenskonferenz in sehr eingehender Weise mit den zahlreichen ungelösten Streitfragen des Seekriegsrechtes. Einige dieser Fragen wurden durch Sonderabkommen, die deutscherseits ratifiziert wurden und in Kraft traten, geregelt. Die wichtigste und schwierigste dieser Fragen aber, deren Behandlung auf der Konferenz zugleich von Deutschland und England angeregt worden war, die Frage eines internationalen obersten Prisengerichtes, führte zwar zur Feststellung eines hochinteressanten Entwurfes, der aber bis heute die Ratifikation und Durchführung nicht hat finden können. Der Hauptgrund, warum dieses hochbedeutsame Werk bis jetzt keinen Abschluß finden konnte, war der Mangel anerkannter internationaler Rechtsnormen, nach welchen die Rechtsprechung des internationalen Prisenhofes zu erfolgen hätte. Diesem Mangel abzuhelfen, trat im Dezember 1908 eine internationale Konferenz in London, bestehend aus Vertretern der Großmächte sowie von Spanien und Holland, zusammen, die den Entwurf einer „Deklaration“ des materiellen Seekriegsrechtes feststellte

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/169&oldid=- (Version vom 4.8.2020)