Seite:Deutschland unter Kaiser Wilhelm II Band 1.pdf/179

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nach dem Gerichtsverfassungsgesetz bestehenden Handelsgerichten; das Gesetz über die Statistik des Warenverkehrs (1906); das tief einschneidende Gesetz über den Kalibergbau und Kalihandel (1910); die Gesetze von 1901 und 1907 über Verlags- und Urheberrecht.

Durch zahlreiche Handelsverträge mit fremden Staaten hat ferner das Reich in umfassender Weise dem deutschen Handel freie Wege in der Welt herzustellen und zu ebnen sich bemüht. Zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst wurde in Bern 1886 ein großes internationales Abkommen (revidiert in Berlin 1908) geschlossen, dem die meisten Staaten der Welt – 1912 auch England – beigetreten sind; das Abkommen beruht auf dem Grundsatze des von allen Vertragsstaaten nach Maßgabe des durch die inländischen Gesetze gewährleisteten Rechtsschutzes allen „Urhebern“ aus dem Gebiete der Vertragsstaaten zugesicherten Schutzes für die Dauer ihres Lebens und 50 Jahre nach ihrem Tode. Ein internationales Bureau dieses Schutzverbandes wurde in Bern errichtet. Das zur Ausführung des Übereinkommens erforderliche Gesetz wurde 1888 resp. 1910 erlassen. Mit einzelnen Staaten, so mit Belgien, Frankreich und Italien, wurden noch besondere Zusatzabkommen geschlossen. Zum Schutze des gewerblichen Eigentums war bereits 1883 in Paris ein internationaler Verband errichtet worden, der 1900 in Brüssel eine Neugestaltung erfuhr; diesem Verbande ist das Deutsche Reich 1903 beigetreten; 1911 erfuhr der Staatsvertrag, der die Rechtsgrundlage des Verbandes bildet, eine neue Gestaltung und steht so heute in Kraft. Die nähere Erörterung der hier in Betracht kommenden Fragen muß den Kapiteln über Volkswirtschaft und Handelsrecht überlassen bleiben.

2. Landwirtschaft.

Der großartigen Kodifikation des Handelsgesetzbuches gegenüber vermag der theoretische Betrachter der deutschen Rechtsentwickelung ein Gefühl der Verwunderung nicht zu unterdrücken, daß der älteste, der dem deutschen Volke gewissermaßen angeborene Erwerbszweig unseres Volkes, die Landwirtschaft, es zu einer einheitlichen und einigermaßen erschöpfenden Gestaltung seines Rechtes bis zum heutigen Tage nicht gebracht hat. Es muß dahingestellt bleiben, ob dies in der Natur der Sache begründet ist und sich daraus erklärt oder ob lediglich äußere Gründe einer derartigen Kodifikation des Landwirtschaftsrechtes entgegenstehen. In indirekter Weise hat das Reich durch seine Gesetzgebung seine Fürsorge für die Landwirtschaft vielfach und hervorragend betätigt und den Bestand der deutschen Landwirtschaft auf gesunder Grundlage durch die gesetzgeberische Arbeit des letzten Vierteljahrhunderts gerettet und gesichert.

Im einzelnen ist hervorzuheben die Gesetzgebung des Reiches zum Schütze gegen Viehseuchen (1909), zur Bekämpfung der weitverbreiteten verbrecherischen Verfälschung von Nahrungsmitteln, über den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln (1897), über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau (1900), sowie die besonderen Gesetze über Schutz und Sicherung des Weinbaues und Weinhandels (Weingesetz 1909); für Bekämpfung zweier Hauptschädlinge der Landwirtschaft, des Koloradokäfers und der Reblaus, (Gesetz von 1904) wurden internationale Vereinbarungen gewonnen, die den sicheren Boden für die vorbeugende und strafende Tätigkeit der Vertragsstaaten auf diesem Gebiete schufen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/179&oldid=- (Version vom 4.8.2020)