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a) Eine Reihe von Gesetzen bezog sich auf einzelne Gewerbebetriebe, sei es aus Gründen der Staatssicherheit, sei es zum Schutze der Gesundheit des Volkes, sei es behufs Wahrung der geschäftlichen Moral; der ersten Gruppe sind zuzurechnen die Gesetze über den Handel mit Dynamit (1891), das Gesetz über amtliche Prüfung der Läufe und Verschlüsse von Handfeuerwaffen (1891), die zahlreichen Anordnungen zur Durchführung der gesetzlichen Vorschriften über die sog. „gefährlichen Anlagen“ sowie über Dampfkessel. Zur zweiten Gruppe gehören besonders die Vorschriften über den gewerblichen Verkehr mit Arzneimitteln sowie die bereits oben erwähnten Gesetze gegen Verfälschung von Nahrungsmitteln; die dritte Gruppe bilden die Gesetze über unlauteren Wettbewerb, gegen den Wucher (1893) und über die Abzahlungsgeschäfte (1894), die ebenfalls bereits Erwähnung gefunden haben; auch das Stellenvermittelungsgesetz (1910) ist zu dieser Gruppe zu rechnen.

b) Einen erhöhten Rechtsschutz auf dem Gebiete des gewerblichen Lebens bezweckt das bereits aus früherer Zeit stammende, aber auf Grund der gemachten Erfahrungen, sowie im Hinblick auf das enorme Wachstum des gewerblichen Lebens völlig umgestaltete Gesetz über die besonderen Gewerbegerichte (neueste Fassung von 1901), deren Zusammensetzung die Gewähr bieten soll, daß Gewerbestreitigkeiten nicht lediglich aus formal juristischen, sondern auch aus Gesichtspunkten gewerblicher Sachkunde und Erfahrung entschieden werden.

c) Aus den gleichen Gründen wie das Gewerbegerichtsgesetz soll auch die ältere Gesetzgebung über gewerblichen Urheber- und Erfinderschutz (1901), das Patentgesetz (1891) und die Gesetzgebung über Schutz der Gebrauchsmuster (1904) und Warenbezeichnungen (1894) eine gründliche Umarbeitung erfahren, die in neuen Gesetzentwürfen demnächst die Öffentlichkeit beschäftigen wird. Überall auf dem Gebiete des gewerblichen Lebens tritt uns sowohl von seiten der Reichsregierung wie des Reichstages das ernste und erfolgreiche Bestreben entgegen, die gemachten Erfahrungen für die möglichste Vollendung der Gesetzgebung zu verwerten und der ungeheuren Entfaltung deutscher Arbeit im letzten Vierteljahrhundert die richtigen gesetzlichen Grundlagen zu geben.

d) Eine der hauptsächlichsten Aufgaben, die zu lösen die Gesetzgebung des Deutschen Reiches in den letzten Jahrzehnten sich mit größter Anstrengung und höchstem sittlichen Ernste bemüht hat, war die Frage des Arbeiterschutzes. Mehr und mehr wurde die Sonntagsarbeit beschränkt und der Tag dürfte nicht mehr fern sein, der dem deutschen Volke die vollständige Sonntagsruhe, wenn auch nicht in der Vollständigkeit des englischen und amerikanischen Volkslebens bringt; gegenüber dem großen wirtschaftlichen und sittlich religiösen Gedanken, der hier für unser Volk durchgesetzt werden muß, müssen alle kleineren Bedenken zurücktreten.

Sehr zahlreiche Vorschriften ergingen ferner zur Einschränkung der Kinder- und Frauenarbeit; über Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben bestimmte 1903 ein umfassendes Sondergesetz. Auch auf diesem für die äußere und innere Gesundheit des Volkes hochwichtigen Gebiete ist zwar bereits vieles erreicht, ein Abschluß der gesetzgeberischen Arbeit aber bis jetzt noch nicht gewonnen. Kleine Bedenken müssen auch hier

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/182&oldid=- (Version vom 4.8.2020)