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wurde in besonderer Weise geordnet. Weiterhin erfolgte 1895 eine umfassende, 1909 mehrfach abgeänderte, Neuregelung der sog. Stempelsteuern, soweit diese nicht vom Reich für sich in Anspruch genommen worden waren. Die Heranziehung der Beamten, Elementarlehrer und unteren Kirchendiener zur Gemeindeeinkommensteuer wurde 1909 neu geregelt unter Aufhebung der bisherigen Privilegien, die nur für die im Amt stehenden Personen auf Lebenszeit beibehalten wurden. Die Gesetzgebung über die Erbschaftssteuer von 1873 erfuhr 1891 eine erhebliche Neugestaltung, auf Grund deren ein neuer Text des ganzen Gesetzes veranstaltet wurde.

Staatslotterie.

Die vom sittlichen Standpunkte nicht unbedenkliche preußische Staatslotterie kann auf Grund der durch eine zweifellose Erfahrung gegebenen Lehren nicht beseitigt werden. Um den unausrottbaren Spieltrieb der Menschen nicht zum Gegenstand gewissenloser Ausbeutung durch fremdstaatliche Unternehmungen werden zu lassen, hat Preußen seine in maßvollen Grenzen gehaltene Staatslotterie beibehalten; durch Staatsverträge mit den übrigen deutschen, zuletzt 1912 auch den süddeutschen Staaten und Elsaß-Lothringen (1910), ist das preußische System jetzt auf ganz Deutschland ausgedehnt worden, unter erheblicher Strafandrohung gegen das Spielen in fremden Lotterien und den Vertrieb von fremden Losen.

Kosten der Polizeiverwaltung.

Eine neue gesetzliche Normierung hat 1908 die Frage gefunden, in welchem Umfange die Gemeinden beizutragen haben zu den Kosten der in den großen Städten der Monarchie eingerichteten staatlichen Polizeiverwaltung; in den meisten Städten ist die Polizeiverwaltung städtischen Organen übertragen und werden ihre Kosten demgemäß aus städtischen Mitteln gedeckt; zu den „unmittelbaren“ Kosten der staatlichen Polizeiverwaltungen haben die Gemeinden grundsätzlich ein Drittel beizutragen.

Schuldenwesen.

Das Staatsschuldenwesen in Preußen hat eine Veränderung nur dahin erfahren, daß das für Preußen seit 1883 eingerichtete Staatsschuldbuch – analog dem für das Reich eingeführten – wesentliche Umgestaltungen zur Erweiterung und Erleichterung seiner Benutzung erfuhr (jetziger Gesamttext des Staatsschuldbuchgesetzes von 1910).

Ausblick.

Die neueste Reichsgesetzgebung (1913) hat nunmehr behufs Deckung der erhöhten Militärlasten den Grundsatz, daß die direkten Steuern den Einzelstaaten verbleiben sollen, in sehr viel weiterem Umfange durchbrochen, als dies bisher der Fall gewesen war. Daß hierdurch die Grundlage der Reichsverfassung verletzt oder die Selbständigkeit der Einzelstaaten im Rahmen der Reichsverfassung in besonderer Weise gefährdet worden sei, wird nicht behauptet werden dürfen. Aber die Abgrenzung der Reichs-, Einzelstaats- und Gemeindebesteuerung wird sicherlich eines der wichtigsten und schwierigsten Probleme der nächsten deutschen Zukunft bilden müssen.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/205&oldid=- (Version vom 4.8.2020)