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leibliche wie geistige Pflege der früh den Gefahren des selbständigen Lebens ausgesetzten männlichen und weiblichen berufstätigen Jugend herausgebildet. Neben ihr aber ist, zumeist wenigstens unter Mithilfe, vielfach auf der Grundlage eigener Schöpfungen der Selbstverwaltung, durch gewerbliche Fachschulen aller Art – Baugewerks-, Handwerker-, Maschinenbau-, Kunstgewerbe-, Keramische, Weberei- usw. Schulen – für die Hebung der wirtschaftlichen Tüchtigkeit aller erwerbenden Berufsstände des Volkes in immer weiterem Umfange gesorgt worden. Dazu kommen die mannigfachen sonstigen Einrichtungen zur Förderung von Wissenschaft, Kunst und geistiger Veredelung jeder Art, wie sie in Handelshochschulen, Akademien für praktische Medizin, Nahrungsmittel-Untersuchungsämtern, Altertums-, Kunst- und kunstgewerblichen Museen, Theatern, Konzert- und Gesellschaftshäusern überall in mannigfachster Fülle erstanden sind, als höchst erfreuliches Zeichen einer immer reicher sich entfaltenden Kultur.

Bauwesen.

Und dasselbe Bild des Sichdehnens und-weitens in früher ungekanntem Maße weist uns ein Blick in das Gebiet des öffentlichen Bauwesens, des äußerlich vielleicht am meisten hervortretenden Schaffensfeldes der heutigen Selbstverwaltung. Hochbau und Tiefbau, Verwaltungs- wie Gartenbaukunst wetteiferten miteinander, alle Fortschritte der Architektur und Ästhetik, der Technik, der Gesundheitswissenschaft und des Verkehrswesens in den Dienst der selbstverwalteten Gemeinwesen zu stellen. Während es einerseits galt, durch öffentliche Bauten für die mannigfaltigsten Verwaltungszwecke den Stadtbildern bemerkenswerte, womöglich vorbildliche Züge einzufügen, stellten andererseits die durch die Anforderungen des Verkehrs und die Errungenschaften der Technik fortgesetzt verbesserten Arten der äußeren Einteilung, der Befestigung und Beleuchtung der öffentlichen Straßen und Plätze, wie die immer erhöhten Anforderungen der Gesundheitswissenschaft an die Verbesserung der Straßenreinigung, der Trinkwasserversorgung, der Abwässerbeseitigung, die Organe der Selbstverwaltung vor technisch wie materiell immer gewaltigere Aufgaben. Dabei erwuchs ihnen vor allem die als immer wichtiger und dringender erkannte Aufgabe eines sachgemäßen Städtebaues: d. h. rechtzeitiger, weitsichtiger Planung der ganzen, stetig fortschreitenden Stadtanlage bei zweckmäßigster Berücksichtigung aller örtlichen, gesundheitlichen, sozialen, ästhetischen, wie durch die Verkehrsentwickelung gegebenen Rücksichten.

Bodenpolitik.

Als wesentlichste Grundlage dafür erkannte man an der Hand vielfacher Erfahrungen mehr und mehr die große Bedeutung einer zweckmäßigen Bodenpolitik, die einerseits der Gesamtheit durch hinreichenden eigenen Besitz von Grund und Boden möglichste Beweglichkeit in der Durchführung ihrer über den Tag hinaus gesteckten Ziele sichern, andererseits durch eine sachgemäße Heranziehung des an den Erfolgen der Gesamtheit wesentlich teilnehmenden privaten Grundbesitzes zur Minderung der Lasten der Gesamtheit mithelfen soll. Daß sie auch für die die Jetztzeit in steigendem Maße beschäftigende Wohnungsfrage von wesentlichstem Einfluß ist, wird kaum mehr bestritten, wenngleich für letztere auch eine ganze Reihe anderweiter Voraussetzungen – kulturelle, klimatische, industrielle, baupolizeiliche, städtebauliche und vor

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/212&oldid=- (Version vom 4.8.2020)