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allem finanzielle – mehr oder weniger entscheidend in Betracht kommen. Wenn auf diesen schwierigen und vielumstrittenen Gebieten des öffentlichen Lebens die Ansichten in einzelnen Beziehungen sich allmählich zu klären beginnen, so darf die Selbstverwaltung jedenfalls für sich das Verdienst in Anspruch nehmen, in jahrzehntelanger praktischer Arbeit ihrerseits entscheidend dazu mit beigetragen zu haben. Denn auch die neuerdings in der Vorbereitung befindlichen gesetzgeberischen Pläne wegen allgemeiner Einrichtung amtlicher Wohnungsaufsicht und Wohnungsämter lehnen sich lediglich an die in dieser Beziehung von der Selbstverwaltung seit langem gemachten Versuche und Erfahrungen an.

Wirtschaftliche Betriebe.

Kann es auch nicht Aufgabe dieser Abhandlung sein, die aus mannigfachen Gesichtspunkten überaus interessante Entwickelung aller Tätigkeitsgebiete der Selbstverwaltung im einzelnen darzustellen, so muß doch hier zum Schlusse ihrer eigenen wirtschaftlichen Unternehmungen noch mit wenigen Worten gedacht werden. Denn gerade die bei ihnen gewonnenen Erfahrungen haben zu mancherlei wichtigen neuen Erörterungen und Erscheinungen geführt.

Die wirtschaftlichen Betriebe der Selbstverwaltung, welche ihren Ausgang zumeist von den Anlagen zur Ent- und Bewässerung und namentlich Beleuchtung genommen haben, sind in den letzten 25 Jahren unter dem Einfluß der großen technischen Fortschritte sowohl infolge der veränderten sozialwirtschaftlichen Auffassungen, als auch aus überwiegend finanziellen Gesichtspunkten ganz außerordentlich vermehrt worden. Zu ihren früheren Gas-, Wasser- und Kanalisationswerken, mit den sich an letztere etwa notgedrungen anschließenden Rieselgütern treten einerseits, mehr aus sanitären als wirtschaftlichen Beweggründen die Schlacht- und Viehhöfe, sodann aber, infolge der überraschenden Fortschritte der Elektrizitätsanwendung, zum Teil auch als Folge des Konkurrenzkampfes zwischen Gas und Elektrizität, die öffentlichen Elektrizitätswerke, Straßen- und Vorortbahnen aller Art – Hoch- und Untergrund- und Schwebebahnen – Hafenanlagen, Hypothekenanstalten, aber auch Badeanstalten, Theater, Apotheken, Weinberge, Weinkellereien usw. Grundsätzlich blieb kein Gegenstand privatwirtschaftlichen Betriebes von der Selbstverwaltungs-Wirtschaft ausgeschlossen, wenn auch die Anschauungen über deren Zweckmäßigkeit begreiflicherweise auseinandergingen und auch noch -gehen. Wie laut und vielseitig aber z. B. unter dem Eindruck der in den letzten Jahren außerordentlich gestiegenen Fleischpreise die „Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch“ als eine mindestens zeitweilige Aufgabe der Selbstverwaltung in Teuerungszeiten gefordert wurde, mag hier ebenso erwähnt werden, wie die Tatsache, daß diesem Verlangen verschiedentlich, von einer deutschen Stadt sogar durch die Errichtung einer eigenen Schweinemastanstalt, auch stattgegeben worden ist.

Zentralisation und Dezentralisation Vereinfachung und Beschleunigung der Verwaltung.

Die vorstehend in Kürze versuchte Übersicht über die weitgreifende Entwickelung wichtiger Verwaltungsgebiete der Selbstverwaltung wird es begreiflich erscheinen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/213&oldid=- (Version vom 4.8.2020)