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dieser Steuerquellen geführt. Erfolgt die Besteuerung des Gewerbes auch überwiegend nach dem Maßstabe des Ertrages – in Preußen zumeist unter Erhebung von Prozenten der als Staatssteuer ebenso wie die Grund- und Gebäudesteuer außer Hebung gesetzten, aber noch staatlich veranlagten Gewerbesteuer – so finden sich daneben doch auch den örtlichen, besonderen Verhältnissen angepaßte Sondergewerbesteuern nach dem Anlage- und Betriebskapital, dem Betriebsumfang, der Zahl der im Betriebe beschäftigten Personen u. dergl. m. Eine sehr erhebliche Bedeutung haben freilich derartige besondere Gewerbesteuern wegen der großen Schwierigkeit der Gewinnung allgemein zutreffender, sachlich gerechtfertigter Veranlagungs-Merkmale bisher nicht gefunden.

Besteuerung des Grundbesitzes.

Dagegen ist man bei der Besteuerung des Grundbesitzes von der früher auch hier allgemein üblichen Ertragsbesteuerung immer mehr in Deutschland zurückgekommen und dazu übergegangen, den „gemeinen Wert“ – d. h. den unter Außerachtlassung etwaiger besonderer Vorliebe im allgemeinen Verkehr für jeden Dritten vorhandenen Wert – zur Besteuerungsgrundlage zu machen. Wesentlich im Anschluß an mancherlei berechtigte Klagen bei der Ausgestaltung wie Handhabung der Reichszuwachssteuer wird neuerdings seitens der Interessenten des Grundbesitzes gegen seine Besteuerung nach dem gemeinen Werte ein scharfer Vorstoß unternommen. Diese überwiegend auf unrichtiger Verallgemeinerung oder schiefer Auffassung von Einzelfällen beruhenden Angriffe dürften aber den berechtigten Kern der Steuern nach dem gemeinen Wert nicht treffen, der unzweifelhaft darin liegt, einen Besteuerungsgegenstand nach seinem erkennbarsten Merkmale zur Aufbringung der Lasten der Gesamtheit mit heranzuziehen, die durch ihre Wirksamkeit an der Hervorbringung dieses Merkmales zum mindesten sehr wesentlich mit beteiligt ist. Daß Härten, die auch eine grundsätzlich richtige Durchführung steuerlicher Probleme mit sich bringen kann, nach bestem Vermögen beseitigt werden müssen, versteht sich von selbst.

Personalbesteuerung.

Der Personalbesteuerung ist mehr oder weniger in ganz Deutschland auf die Erhebung von Zuschlägen zu den staatlichen Einkommensteuern abgestellt und fast überall diejenige der direkten Steuern, welche den Löwenanteil des Gemeindesteuerbedarfes aufzubringen hat. Daß ihre zu starke Belastung durch die Gemeinden vom Standpunkt der Staatsfinanzen ernste Bedenken erregen muß, ist selbstverständlich. Man hat deshalb auch in Preußen bei der Reform des Gemeinde-Abgaben-Wesens zur Vermeidung übermäßiger Belastung der Einkommensteuer bestimmte gesetzliche Verteilungsregeln für die Deckung des Steuerbedarfes durch die Realsteuern einer- und die Personalsteuer andererseits aufzustellen versucht. Trotzdem hat die Entwickelung der Gemeindelasten seit jener Reform – zumal der das Interesse des Staates am wesentlichsten berührenden und von ihm erheblich beeinflußten Schullasten – doch keine nennenswerte Verminderung der Gemeindezuschläge zur Einkommensteuer ermöglicht. Wurden doch im Jahre 1911 in Preußen in 956 der insgesamt 1277 Städte mit mehr als 10 000 Einwohnern über

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/221&oldid=- (Version vom 4.8.2020)