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Im allgemeinen darf man bei Betrachtung der Ausgaben mit der Anerkennung nicht zurückhalten, daß der Reichstag die erforderlichen Mittel dem Reiche zur Verfügung gestellt hat. Selbst für die großen und oft heiß umstrittenen Forderungen der Heeres- und Marineverwaltung hat sich immer eine Mehrheit finden lassen. Die früher auch bei manchen bürgerlichen Parteien übliche Rechthaberei und unfruchtbare Negation ist einer großzügigeren Auffassung und besserer Einsicht gewichen. Daß der Reichstag die großen Ansprüche der Heeres- und Marineverwaltung im Sommer dieses Jahres mit einer erdrückenden Mehrheit bewilligt hat, ist ein Ruhmesblatt in seiner Geschichte. Er hat damit die Auffassung der Reichsregierung gebilligt und den veränderten politischen Verhältnissen mit einsichtsvoller patriotischer Gesinnung Rechnung getragen.

2. Die Einnahmen und das Schuldenwesen. Das Einnahmewesen im allgemeinen.

Der Artikel 70 der Reichsverfassung verwies in seiner ursprünglichen Gestalt das Reich zur Bestreitung seiner Ausgaben in erster Linie auf die Überschüsse der Vorjahre, dann auf die gemeinschaftlichen Einnahmen aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und dem Post- und Telegraphenwesen. „Insoweit dieselben“, heißt es dann wörtlich, „durch die Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie, solange Reichssteuern nicht eingeführt sind, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche bis zur Höhe des budgetmäßigen Betrags durch den Reichskanzler ausgeschrieben werden.“

Die wachsenden Bedürfnisse des Reiches machten aber bald eine Ergänzung dieser dürftigen finanziellen Ausstattung erforderlich. Schon bis zum Jahre 1888/89 hatte sich der ursprünglich enge Umkreis der Einnahmen erheblich erweitert; und ein Blick in den Voranschlag des Jahres 1913 zeigt eine große Anzahl neu hinzugekommener Abgaben und eine sehr starke Steigerung des Erträgnisses der 1888/89 bereits vorhandenen. Die folgende Übersicht über die dauernden Einnahmen für die Jahre 1872, 1888/89 und 1912 tut dies einleuchtend dar.


Einnahmen des Reiches in 1000 M.
A. Erwerbseinkünfte[1]   1872   1888/89   1912
  Post und Telegraphie 14 054 31 719 112 835
  Eisenbahnverwaltung 5 525 20 338 31 391
  Reichsdruckerei 1 375 3 181
  Bankwesen 1 088 15 264
 
Summe A: 19 579 54 520 162 671
B. Zölle und Verbrauchssteuern.  
  Zölle 94 878 283 149 703 470
  Tabaksteuer 1 300 10 841 11 325
  Zigarettensteuer 33 469
  Zuckersteuer 4 121 9 507 157 600
  Salzsteuer 24 623 41 287 59 660
  Branntweinsteuer 33 465 99 718 203 455
  1. Nur die Überschüsse.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/258&oldid=- (Version vom 4.8.2020)