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Privatinteressen verletzt werden. In einer kurzen Formel ausgedrückt handelt es sich um den Schutz der Persönlichkeit in Beziehung auf ihre Geheimsphäre (die Tatsachen und Angelegenheiten, die ihr Privatleben betreffen). Der Rechtsgedanke, daß hier ein Schutz geboten ist, ist in der Reichsgesetzgebung im Keim enthalten (vgl. Urhebergesetz § 10, Kunstschutzgesetz §§ 17, 22, 30, Patentgesetz § 10 Nr. 3), aber noch nicht mit völliger Klarheit und nicht umfassend genug herausgearbeitet. Diese Aufgabe ist der Wissenschaft und Praxis vorbehalten geblieben; man arbeitet an ihrer befriedigenden Lösung. Streit und Zweifel sind nicht ausgeblieben; aber im Streite der Meinungen muß und wird eine befriedigende Lösung gefunden werden, weil die Rechtsvernunft und die Gerechtigkeit sie gebieterisch fordern. Der Grund dafür, daß dies noch nicht gelungen ist oder, besser gesagt, daß die richtige Lösung noch keine allgemeine Anerkennung gefunden hat, liegt darin, daß der Begriff des Persönlichkeitsrechts noch um seine Anerkennung zu kämpfen hat. Die Vorstellung, daß das Privatrecht die Aufgabe hat, die vermögensrechtlichen Interessen zu schützen, beherrscht noch weite Kreise so sehr, daß sie besondere gesetzliche Vorschriften verlangen, wenn der Person als solcher privatrechtlicher Schutz zuteil werden soll. Auf diesem Standpunkte steht auch die Praxis unseres höchsten Gerichtshofs. Aber die Macht der Verhältnisse hat sich doch schon als so stark erwiesen, daß das Reichsgericht trotzdem bereits in weitem Maße das Recht der Persönlichkeit (das Recht auf Achtung der Person als solcher, das Recht, die Persönlichkeit in den Schranken des Rechts frei und nach eignem Belieben zu betätigen) praktisch anerkennt. Allerdings geschieht dies zurzeit noch auf Umwegen, deshalb lückenhaft und in einer dem Bedürfnis des Rechtslebens nicht voll genügenden Weise.

Auf keinem andren Gebiete zeigt sich so wie auf dem des Urheber- und Erfinderrechts die Interessengemeinschaft, die die Kulturvölker mit einander verbindet, und die große Rolle, welche die geistige Arbeit Deutschlands jetzt in der Welt spielt. So haben auch wir uns an den internationalen Übereinkommen beteiligt, die auf den internationalen Schutz des geistigen Eigentums hinzielen und die Anfänge eines Weltrechts darstellen. Dem gegenseitigen Schutze von Werken der Literatur und Kunst dient die Berner Übereinkunft vom 9. September 1886 nebst der Zusatzakte und der Deklaration von Paris vom 4. Mai 1896, revidiert durch die Berliner Übereinkunft vom 13. November 1908, zu der ein der Ausführung dienendes Reichsgesetz vom 22. Mai 1910 erlassen worden ist. Zum Schutze des gewerblichen geistigen Eigentums wurde unter dem 20. März 1883 eine internationale Übereinkunft (der sogenannte Unionsvertrag) geschlossen, der Deutschland 1903 beitrat, nachdem sie durch die Brüsseler Zusatzakte vom 14. Dezember 1900 revidiert worden war.

Handelsrecht.

Auf dem Gebiete des Handelsrechts war die Gesetzgebung der letzten 25 Jahre in reichem Maße tätig. Die Umarbeitung des HGB. wurde bereits erwähnt. Daneben finden wir eine größere Reihe von Gesetzen, die einzelne Zweige regeln. Erwähnt seien zunächst Gesetze, welche Gesellschaftsformen außer denen des HGB. neu schufen oder doch neu ordneten. Dies sind die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und die Gesellschaften mit beschränkter

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/280&oldid=- (Version vom 4.8.2020)