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„lex Heinze.“

Von einschneidender Bedeutung war dagegen das durch Gesetz vom 25. Juni 1900 (RGBl. S. 301) endlich erfolgte Zustandekommen der sog. „lex Heinze“, durch welche wichtige und von vielen Seiten lange erwünschte Ergänzungen und Verschärfungen des Rechts auf dem Gebiete der Delikte gegen die Sittlichkeit eingeführt wurden. Die §§ 180, 181, 184, 362 wurden geändert, die §§ 181a, 184a, 184b neu geschaffen. Von diesen Neuerungen soll hier nur an die hervortretendsten erinnert werden, nämlich an die Einreihung der vom Ehemann in bezug auf die Ehefrau verübten Kuppelei unter die Verbrechensfälle (§ 181), die Strafbarmachung der Zuhälterei (§ 181a) und das Einschreiten gegen unzüchtige oder doch das Schamgefühl gröblich verletzende Schriften, Abbildungen oder Darstellungen (§§ 184ff.). Obwohl gerade um die zuletzt erwähnten Vorschläge damals im Reichstag und in der Presse ein heftiger Kampf stattgefunden hat, hat die Folgezeit doch gelehrt, daß, von einigen Einzelheiten abgesehen, das Richtige getroffen und einem wirklichen Bedürfnis genügt worden ist. Das zeigt sich auch darin, daß sowohl der nachher näher zu betrachtende Vorentwurf, wie auch der neueste Kommissionsentwurf zu einem neuen Strafgesetzbuch diese Vorschriften nicht nur aufrechterhalten, sondern zum Teil sogar noch verschärfen wollen. Besonders hinsichtlich des Zuhältertums ist ein solcher Wunsch auch in der Bevölkerung vielfach laut geworden. Ist auch dieses wichtige und in seinen Wirkungen verdienstvolle Gesetz formell aus der Initiative des Reichstages hervorgegangen (Antrag Graf Hompesch und Genossen, Nr. 834 der Drucks. d. R.-T.), so gebührt die Urheberschaft doch insofern der Regierung, als der nicht ohne ihr Vorwissen und ihre Zustimmung gestellte Antrag bekanntlich nur die schon wiederholt eingebrachte, jedoch bis dahin nicht zur Verabschiedung gelangte Vorlage der verbündeten Regierungen im wesentlichen wiederholte.

Majestätsbeleidigung.

Auch ein recht wichtiges Gesetz ist das zeitlich folgende vom 17. Februar 1908 (RGBl. S. 25), betreffend die Bestrafung der Majestätsbeleidigung. Durch dieses Gesetz wurde, abgesehen von der Einführung einer ganz kurzen (sechsmonatigen) Verjährungsfrist, der Tatbestand dieses Vergehens für alle Fälle (§§ 95, 97, 99, 101 StGB.) dahin geändert, daß die Strafbarkeit nur eintritt, wenn die Beleidigung in der Absicht der Ehrverletzung, böswillig und mit Überlegung begangen ist. Seinen Ursprung hatte dieses Gesetz in einem Erlasse des Kaisers als König von Preußen vom 27. Januar 1907, in welchem der Justizminister beauftragt worden war, in solchen Fällen, in denen sich jemand „bloß aus Unverstand, Übereilung oder sonst ohne bösen Willen“ einer Majestätsbeleidigung schuldig gemacht haben werde, fortlaufend wegen Ausübung des Begnadigungsrechts zu berichten. Diese hochherzige Initiative des Monarchen selbst, die mit vollem Recht bezweckte, die Bestrafungen wegen leichteren und nach den Umständen allenfalls verzeihlichen Fällen von Majestätsbeleidigung auszuschließen oder zu mildern, gab demnächst den Anlaß zu einer dasselbe Ziel verfolgenden Gesetzesvorlage an Bundesrat und Reichstag, die schließlich nach mehrfachen Änderungen in der eben erwähnten Gestalt zustande kam.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/302&oldid=- (Version vom 4.8.2020)