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den Kommissionen mit angespanntestem Fleiße und mit der eingehendsten Sorgfalt geprüft worden seien und dann der Reichstag die Beratungen über die Gesetze mit einem Eifer und einer Hingebung gepflogen habe, die der nationalen Aufgabe würdig waren. Bei einem so umfangreichen und bedeutungsvollen Werke hätten in der ersten Beurteilung die Meinungen über viele und wichtige Punkte notwendig in dem Maße auseinandergehen müssen, wie es der Verbreitung und der Vielseitigkeit juristischer Durchbildung in allen Teilen unseres Vaterlandes entsprach. Dennoch sei es dem Reichstag zu aufrichtiger Freude des Kaisers gelungen, alle Meinungsverschiedenheiten im Wege der Verständigung unter sich und mit den verbündeten Regierungen auszugleichen und die Verhandlungen zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen. Das Gefühl des Dankes für die Bereitwilligkeit, mit welcher der Reichstag den verbündeten Regierungen zu dieser Verständigung entgegenkam, sei in ihm um so lebhafter, je höher er den Gewinn anschlage, der aus dem Gelingen des Werkes für unser nationales Leben erwachsen müsse.

Ungeachtet der sorgfältigen Vorbereitung wurden gegen die StrPO. schon bald nach ihrem Inkrafttreten lebhafte Angriffe sowohl aus fachmännischen, als aus Laienkreisen gerichtet. Die große Reihe der dann fortwährend gemachten Versuche der Reichsregierungen und des Reichstags, sich über eine Änderung der angegriffenen Bestimmungen zu einigen, hatte, wie schon eingangs hervorgehoben, keinen Erfolg.

Die noch unter der Regierung Wilhelm I. erlassenen Abänderungsgesetze vom 17. März 1886 und 5. April 1888 betreffen nur Einzelheiten von geringer Bedeutung. Ersteres die Plenarentscheidungen des Reichsgerichts, das andere die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen, insbesondere das Schweigeverbot.

Abänderungsgesetze seit dem Regierungsantritt Wilhelms II.

Seit dem Regierungsantritt Wilhelms II. ist durch das Einführungsgesetz zum BGB. vom 18. August 1896 Berlin für Deutsche in deutschen Schutzgebieten, die keinem Bundesstaat angehören, zum Wohnsitz in Ansehung des Gerichtsstandes bestimmt, und die Zulassung als Beistand eines Angeklagten auf jeden gesetzlichen Vertreter ausgedehnt. Ebenso regelt das Gesetz vom 17. Mai 1898 nur Einzelheiten ohne grundsätzliche Bedeutung. Von größerer Wichtigkeit sind die Gesetze vom 20. Mai 1898 und 14. Juli 1904, die dem im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Beschuldigten für den ihm durch die Strafvollstreckung entstandenen Vermögensschaden und dem im Strafverfahren freigesprochenen oder außer Verfolgung gesetzten Beschuldigten für die unschuldig erlittene Untersuchungshaft Entschädigung aus der Staatskasse gewähren. Das Gesetz vom 13. Mai 1902 hat sich in der ersten der zwischen Bundesrat und Reichstag durch Kompromiß erledigten Streitfragen – dem Gerichtsstand für Strafverfolgungen von Druckschriften – der Forderung des Reichstags gefügt, für die inzwischen der deutsche Juristentag im Jahre 1900 nochmals eingetreten war. Aus der Initiative des Reichstags ging das Gesetz vom 5. Mai 1905 hervor, das zur Beschleunigung des Verfahrens die Zuständigkeit der Schöffengerichte

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/319&oldid=- (Version vom 4.8.2020)