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glänzendem dialektisch-dogmatischem Aufbau der ganzen Lehre stellt das in den Jahren 1897–1912 erschienene Werk „Internationales Privatrecht“, von E. Zitelmann, dar.

Zeitschrift für Intern. Privatrecht.

III. Eine wesentliche Förderung für Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts brachte die Gründung der ausschließlich dieser Materie gewidmeten „Zeitschrift für internationales Privat- und Strafrecht mit besonderer Berücksichtigung der Rechtshilfe“ durch den bayrischen Oberlandesgerichtsrat Ferdinand Böhm im Jahre 1891. Im Jahre 1896 wurde Mitherausgeber der Zeitschrift Th. Niemeyer, welcher nach Böhms Tode (1901) die Leitung der Zeitschrift allein übernahm. Die Zeitschrift ist seitdem zugleich dem Völkerrecht gewidmet, gemäß der vom Herausgeber vertretenen Auffassung, daß das internationale Privatrecht mit einem Fuße im Privatrecht, mit dem anderen Fuß im Völkerrecht steht, und daß die Flüssigkeit der (weder logisch noch praktisch faßbaren) Grenzen folgender Materien: internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung, Rechtsvereinheitlichung, staatsvertragliche Ausgleichung, Völkerrecht, eine alle diese Gebiete überschauende und umfassende Gesamtbehandlung wünschenswert macht.

Lehrstühle.

Ein fernerer Fortschritt ist die in jüngster Zeit mehrfach erfolgte staatliche Erteilung von Lehraufträgen, entweder speziell für internationales Privatrecht (so in München und Bonn) oder in Verbindung mit anderen Gebieten des internationalen Rechtes (so in Leipzig und Kiel). Dem entspricht die nicht mehr geringe Zahl der an den deutschen Universitäten nicht wie früher nur angekündigten, sondern auch wirklich und unter reger Beteiligung der Studierenden abgehaltenen Vorlesungen und Übungen über internationales Privatrecht. In Kiel wurde auf Grund einer Stiftung des 1905 verstorbenen, um die Wissenschaft des internationalen Privatrechts durch seine positivistischen Forschungen verdienten Franz Kahn (Mannheim) eine Spezialbibliothek für internationales Privatrecht (Franz-Kahn-Bibliothek) gegründet.

IV. Wenn im vorstehenden der Begriff und der Inhalt des internationalen Privatrechts als bekannt und feststehend vorausgesetzt worden ist, so durfte das in Anpassung an das Herkommen insofern geschehen, als die soeben skizzierten Entwicklungsvorgänge sich im wesentlichen auf dasjenige Gebiet beziehen, welches seit mehreren Menschenaltern in Deutschland mit dem in der Überschrift angewendeten Ausdruck bezeichnet zu werden pflegt, nämlich die von Wächter und Savigny als Bestandteil des privatrechtlichen Systems behandelte und seitdem in Lehrbüchern und Vorlesungen des Zivilrechts (bis 1900 in den Pandekten und im deutschen Privatrecht, seitdem im deutschen bürgerlichen Recht) vorgetragene Lehre von dem, wie man sagte, „örtlichen“ Geltungsgebiet der Privatrechtssätze.

Teil des Staats- und Verwaltungsrechts.

Aber seit Wächter und Savigny hat sich unter dem Gewande der alten Bezeichnung so viel Neues und Beträchtliches entwickelt, daß es sich, ehrlich gesagt, nur aus der Macht

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/365&oldid=- (Version vom 4.8.2020)