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unsere Beziehungen zu den Vereinigten Staaten nichts zu besorgen. Achtung vor dem anderen auf der Grundlage und in den Grenzen der Selbstachtung wird auch der Freundschaft zwischen uns und den Vereinigten Staaten am zuträglichsten sein.

Deutschland und Japan.

Ähnlich wie unsere Beziehungen zu Amerika hatte auch unser Verhältnis zu Japan gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Periode der Verstimmung zu durchlaufen. Bis zum Beginn der neunziger Jahre hatten wir den Japanern als Vorbild gedient und als Freund gegolten. Unsere militärischen Einrichtungen, unsere kriegerische Vergangenheit fanden in dem ostasiatischen Kriegervolk glühende Bewunderer, und nach der Besiegung Chinas nannten sich die Japaner gern und mit Stolz die Preußen des Ostens. Unsere Beziehungen zu Japan bekamen einen starken Stoß, als wir 1895 mit Frankreich und Rußland das siegreiche Japan nötigten, seine Forderungen gegenüber dem besiegten China zurückzuschrauben. Als wir damals Japan in den Arm fielen, verloren wir viele seit Jahrzehnten dort aufgespeicherte Sympathien, ohne dafür bei Frankreich und Rußland sonderlichen Dank zu ernten. Ein vom Deutschen Kaiser um diese Zeit entworfenes Bild, das nur idealen Friedensbestrebungen dienen sollte, war von unseren Gegnern und Konkurrenten mit Eifer und Erfolg dazu benutzt worden, uns in Japan Abbruch zu tun. Durch jahrelange Sorgfalt gelang es allmählich, in Japan wieder einer besseren Stimmung gegen Deutschland Raum zu schaffen. Wir haben kein Interesse daran, das hervorragend tüchtige und tapfere Volk zum Gegner zu haben. Natürlich sind wir ebensowenig dazu da, den Japanern die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Es wäre nicht nur für Japan, sondern auch für England eine erhebliche Entlastung gewesen, wenn wir uns um ihrer ostasiatischen Interessen willen gegen Rußland hätten vorschieben lassen. Uns selbst wäre damit schlecht gedient worden. So wenig glücklich der Gedanke war, für die schönen Augen Frankreichs und Rußlands Japan zu verstimmen und uns zu entfremden, so wenig konnte uns daran liegen, uns wegen der ostasiatischen Interessen anderer Mächte mit Rußland zu entzweien. Gegen Ende der 80er Jahre sagte mir Fürst Bismarck einmal mit Bezug auf Rußland und Asien: „In dem russischen Faß gärt und rumort es ja ganz bedenklich, das könnte einmal zu einer Explosion führen. Am besten für den Weltfrieden wäre es wohl, wenn die Explosion nicht in Europa, sondern in Asien erfolgte. Wir müssen uns dann nur nicht gerade vor das Spundloch stellen, damit der Zapfen nicht uns in den Bauch fährt.“ Hätten wir uns vor dem russisch-japanischen Kriege gegen Rußland vorschieben lassen, so wären wir bei der Explosion vor das Spundloch zu stehen gekommen. Ich habe den Fürsten Bismarck auch gelegentlich sagen hören: „Wenn Ihnen Herr N. etwas vorschlägt, das für ihn nützlich, für Sie aber schädlich ist, so ist das nicht dumm von N. Es ist aber dumm von Ihnen, wenn Sie darauf eingehen.“

Kontinental- und Weltpolitik.

Wenn Deutschland nach der Erreichung des großen Zieles seiner europäischen Politik mit den vermehrten und ständig sich vermehrenden Kräften in die weitere Welt hineinlangen kann, so ist damit nicht gesagt, daß nun die ganze Summe unserer nationalen Kraft für

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/40&oldid=- (Version vom 31.7.2018)