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Bedenken bezüglich der Panzerschiffbauten könnten jetzt als überwunden angesehen werden. Hierfür sprächen sowohl das Beispiel anderer Nationen wie bei uns gemachte Erfahrungen und eingehende Untersuchungen, heißt es in der betreffenden Denkschrift.

Wir wissen, wie viel damals noch fehlte, um, namentlich in taktischer Beziehung, den Weg klar zu erkennen, der damit beschritten wurde. Aber der Mut der Überzeugung brachte den Erfolg. Die vier Schiffe wurden dem jungen Kaiser bewilligt, der Bann war gebrochen.

Die Wiederaufnahme des Flottengedankens, die 1888 allein kaiserlicher Entschließung entsprungen ist, hat uns aber nicht nur die vier Schiffe der „Brandenburg“-Klasse gebracht, sie bedeutet in ihrer Weiterentwicklung auch einen Wendepunkt in der deutschen Politik und eine rechtzeitige Angliederung an den Übergang, der sich damals in der Welt vollzog: den Übergang zur Weltwirtschaft und zur Weltpolitik. Am 25. Jahrestag der Gründung des Deutschen Reiches wurden vom Kaiser die Worte gesprochen: „Unser Deutsches Reich ist ein Weltreich geworden!“ Am 18. Oktober 1899 folgte im Hamburg, dem Hauptplatz deutscher Seeinteressen, der Ausspruch: „Bitter not tut uns eine starke deutsche Flotte“, der dem Gefühl schwerer Verantwortung dafür Ausdruck gab, diese immer freier sich entwickelnden friedlichen Elemente deutscher Seemacht noch weiter ohne wirksamen Schutz zu sehen. Diese Kaiserworte sind zu Marksteinen geworden auf dem Wege zum Flottengesetz von 1900. Ehe wir ihn weiter mit unserer Schilderung begleiten, müssen wir aber zunächst erfahren, was in der Zwischenzeit geschehen ist, um nun wirklich „auf Grund bei uns gemachter Erfahrungen und eingehender Untersuchungen“ zu erkennen, was uns not tue und wie wir die zu bauenden Schiffe gebrauchen wollten.

Organisationsveränderungen und taktische Erprobungen.

Der Weg hierzu war nicht leicht zu finden. Auch in England hat man sich im Jahre 1889 bei einer später hier noch zu besprechenden großen Flottenvermehrung mit Entschiedenheit auf den Grund des Baues großer Panzerschiffe gestellt, und doch schrieb in demselben Jahre Admiral Colomb, einer der kundigsten englischen Seeoffiziere, die Wissenschaft der Seetaktik befände sich immer noch in einem durchaus unbestimmten und unbefriedigenden Zustande. Er glaube zwar, daß zweckdienliche Versuche und daran geknüpfte richtige Folgerungen dazu ausreichen würden, sie schon im Frieden auf eine durchaus sichere Grundlage zu stellen, müsse aber mit einer gewissen Sorge erkennen, mit welcher Gleichgültigkeit die Leiter der englischen Flotte der Sache gegenüberständen. Wenn nun die größte Seemacht der Welt mit ihrem reichen Schiffsmaterial, den ständigen Indiensthaltungen und mit ihrem altgedienten Personal damit nicht weiter kann, was sollte bei uns geschehen?

Zwar waren auch in Deutschland schon seit der Zeit des Generals v. Stosch Übungsgeschwader in Dienst gewesen, bevor man in anderen Marinen an solche Übungen dachte, waren auch Manöver abgehalten worden, die, namentlich unter dem zweiten Chef der Admiralität, das Bestreben zeigten, der Wirklichkeit des Krieges näher zu kommen. Aber die kurzen Sommermonate, für die diese Geschwader in Dienst waren, genügten kaum, um die Schiffsbesatzungen einzufahren und die Manöver, namentlich in der letzten Zeit,

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/406&oldid=- (Version vom 12.12.2020)