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Beziehung nichts anderes zeigten, als was unsere Friedenserprobung uns schon gebracht hatte. Seitdem hat sich vieles geändert. Die Verstärkung der Artilleriewirkung der neuen großen Linienschiffe war neben anderen Zwecken schon darauf berechnet, den Vorsprung gegen den Torpedo zu bewahren, der mit seiner Schußweite ständig nachdrängte und darauf ausging, der Artillerie den Rang als alleinige Entscheidungswaffe im Kampf auf großen Abstand streitig zu machen. Seitdem ist auch der Torpedo zu einer Fernwaffe geworden, wenn seine Anwendung als Konkurrent der Artillerie auch nicht mehr wie früher die Lösung der Ordnung bedingt und also an den äußeren taktischen Formen zunächst nichts ändern wird. Neben das große Linienschiff sind die ihm an Kampfkraft wenig nachstehenden, an Schnelligkeit es aber übertreffenden Linienschiffskreuzer getreten, die, zu Verbänden vereinigt, ihre Stellung freier wählen können und statt der einheitlichen Kampflinie für den Flottenkampf Kombinationen von Linien bedingen. Die Vermehrung der zu gleicher Zeit in einer Schlacht fechtenden Linienschiffsgeschwader drängt ebenfalls zu solchen Kombinationen, und nehmen wir noch die Vergrößerung und vermehrte Kampfkraft der Torpedoboote hinzu, die Unterseeboote, die Flugzeuge und Luftschiffe, so sehen wir, wie die Verhältnisse sich verschoben haben für die Vorbereitung zum Kampf, für seine Durchführung und für die Ausnutzung des Erfolges.

Je komplizierter der Schlachtenapparat wird, je mehr es sich darum handelt, neue, im Kriege noch nicht erprobte Kampfmittel anzuwenden, desto wichtiger wird es aber auch, die Kriegsvorbereitung schon im Frieden so nahe an die Wirklichkeit des Krieges heranzuschieben wie nur möglich. Daß wir uns dessen stets bewußt gewesen sind, das zeigt die Vorgeschichte unseres Flottengesetzes, das zeigt der Geist, der in unseren Schiffsbesatzungen und ihren Führern lebt. Von solchen kriegsmäßigen Übungen dürfen auch weder die hohen Indiensthaltungskosten der Schiffe abschrecken, noch die Gefahren für Material und Personal, die aus dieser Friedensarbeit entstehen. All dies kann nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Gefahr, in der Stunde der Entscheidung den Anforderungen des Krieges nicht gewachsen zu sein. Denn über das Schicksal großer Reiche und ihrer Millionen von Bewohnern entscheidet diese kurze Spanne Zeit der Schlacht, in der wie in einem Brennpunkt alles sich zusammenschließt, was jahrelange Friedensarbeit uns geben soll. Sie liegt unter der Oberleitung des Kaisers, dessen Initiative und dessen stetem Ansporn Deutschland seine Flotte verdankt, in guten Händen.

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/428&oldid=- (Version vom 12.12.2020)