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wertvolle Verleihungen zurückzuerwerben. Mußte doch z. B. das der englischen South Westafrica Company verliehene Recht des Baues einer Bahn von der Küste nach der Hauptstadt des Landes durch eine das ganze Ovamboland umfassende Minenkonzession zurückgekauft werden. Bedauerlicherweise wurden bei der Verleihung dieser Rechte die Gouverneure zumeist nicht gefragt, ja, es wurden sogar Konzessionen gegen ihren ausdrücklichen Wunsch erteilt. Wurde dadurch in Kamerun für weite Gebiete jahrelang die freie Konkurrenz in Handel und Plantagenwirtschaft zum Nachteil der Entwicklung des Schutzgebietes unterbunden, so wurde in Südwestafrika die Besiedelung fast lahmgelegt. Es ist für dieses Land geradezu zum Verhängnis geworden, daß man sich, während Gouverneur Leutwein und seine Mitarbeiter erklärten, die Besiedelung selbst in die Hand nehmen zu wollen und zu können, in Berlin nicht getraute, die Verantwortung für eine Regierungssiedelungspolitik mitzuübernehmen, und sie deshalb lieber Gesellschaften übergab, deren Kapital in gar keinem Verhältnis stand zu der Größe des Areals und zu den bedeutenden Kosten, welche mit einer systematischen Herrichtung desselben zur Aufnahme von Siedlern und einer den Landesverhältnissen gerecht werdenden Wassererschließung verbunden waren. Die Folge war ein nahezu völliges Versagen des Siedelungswerkes. Nicht nur in Kamerun und in Südwestafrika hat dieses Gesellschaftssystem keine Erfolge gezeitigt, sondern auch in Deutsch-Ostafrika und Neuguinea. Die damaligen Direktoren der Gesellschaft in der Heimat waren vorwiegend Kaufleute, strebten in erster Linie die Ausbeutung der vorhandenen Werte an und wandten der Schaffung neuer, aus Eigenerzeugung hervorgegangener Produkte keine oder geringe Aufmerksamkeit zu. Wo letzteres versucht wurde, scheiterte es im Anfang nur zu häufig an der Unkenntnis der technischen Grundlagen für den tropischen Plantagenbetrieb, an untauglichem Personal und an Mangel an Überblick über die landwirtschaftlichen Leistungen der Angestellten in den Schutzgebieten. Infolgedessen kamen Rückschläge auf Rückschläge, und die Rentabilität war, wo die Pflanzungen überhaupt Reinerträge abwarfen, eine zu dem Risiko unverhältnismäßig geringe. So wurde denn auch nicht einmal erreicht, daß die großen Gesellschaften durch ihr Beispiel oder durch Musterbetriebe kleinere Unternehmer förderten.

Geringe Rentabilität der Plantagenbetriebe. Versuchsgärten.

Angebaut wurde in dieser Periode auf den Pflanzungen Deutsch-Ostafrikas, die fast durchweg in Usambara lagen, vor allem Kaffee. Leider brachte die Kaffeekultur nach einigen Jahren große Verluste, weil der Boden vielfach für sie nicht geeignet war, so daß dieselbe, zumal noch andere ungünstige Faktoren hinzutraten, erheblich eingeschränkt oder ganz aufgegeben werden mußte. Noch schlimmer erging es den Tabakpflanzungsversuchen, besser dagegen den Kokospflanzungen, welche in Küstennähe neu angelegt oder als ältere, bereits tragende von Eingeborenen angekauft wurden. Hinderlich für die europäischen Pflanzer war der Mangel größerer staatlicher Versuchsstationen. Zu fortgesetzten und systematischen Versuchen, die die Grundbedingung für eine erfolgreiche tropische Landwirtschaft sind, fehlte es aber den Pflanzern an Mitteln und geschultem Personal. Hat es auch vorher an einzelnen Versuchen nicht gefehlt – es sei

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/437&oldid=- (Version vom 12.12.2020)