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die Menschen unserer Deutschen Schutzgebiete unter Überbringung höherer Kultur der Deutschen Wirtschaft nutzbar zu machen, oder ob sie dieselben wieder aufgeben wolle“, indem er betonte, daß der Eingeborene, besonders in unseren tropischen Kolonien, der wichtigste Gegenstand der Kolonisation sei. Er führte aus, von welcher Wichtigkeit die Schutzgebiete für unseren Handel und unsere Industrie, für unsere Rohstofferzeugung, unseren Absatz, unsere Zahlungsbilanz weiden könnten, und daß es sich daher bei der Deutschen kolonialen Bewegung um die Lösung einer nationalen Frage allerersten Ranges handele.

Koloniale Begeisterung.

Wie kurz zuvor im Reichstage, so zündeten jetzt auch außerhalb desselben die Worte, die vielfach nicht neu waren, aber doch niemals von autoritativer Stelle mit solchem Nachdruck in das deutsche Volk hinausgerufen worden waren, gewaltig und bewirkten, daß sich über Erwarten schnell ein großer Umschwung vollzog, und sich die Überzeugung Bahn brach, daß unsere überseeischen Besitzungen große Schätze bergen, die es nur zu heben gelte.

Wie die Wahlen, die eine große kolonialfreundliche Mehrheit ergaben, so standen auch die Reichstagsverhandlungen 1906/7 wesentlich unter dem Zeichen von Südwestafrika. Die für die Sicherheit des Landes für notwendig erachtete, aber mit Rücksicht auf die inzwischen erfolgte Beendigung der Unruhen in geringerer Höhe angeforderte Schutztruppe wurde bewilligt, ebenso die neu ins Leben gerufene Landespolizei und der Rest der Entschädigungsgelder. Der bereits erwähnte, vom Gouvernement aufgestellte Besiedelungsplan und die in demselben angeforderten Mittel wurden genehmigt. Auch den übrigen Kolonien widerfuhr volle Gerechtigkeit.

Errichtung des Kolonialamts.

Von einschneidender Bedeutung war die Lostrennung der Kolonialverwaltung vom Auswärtigen Amt, mit dem sie sowieso nur noch lose zusammenhing, und von dem sie als unbequemes Anhängsel betrachtet wurde. Sie wurde zu einem selbständigen Reichsamt mit einer allgemeinen Verwaltungsabteilung, einer Finanz-, einer Personal- und einer mit dem Kommando der Schutztruppen identischen Militärabteilung erhoben. In das damalige Reichskolonialamt wurden eine Anzahl von Beamten berufen, die lange Jahre in den Kolonien tätig gewesen waren, so daß eine engere Beziehung zwischen Zentral- und Lokalverwaltung herbeigeführt wurde, die früher zum Schaden der Sache gefehlt hatte. So ausgerüstet, ging die Kolonialverwaltung sofort an die Lösung einer Reihe für die gedeihliche Weiterentwickelung der Kolonien grundlegender Fragen heran. Im Vordergrunde standen: die Reorganisation des Finanzwesens, die systematische Erschließung der Schutzgebiete durch Schienenwege, die gesteigerte Fürsorge für die Eingeborenen und die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Kolonialbeamten.

Neuordnung der Beamtenverhältnisse, des Finanzwesens.

Durch die feste gesetzliche Regelung der letzteren ist die Gewinnung eines tüchtigen Nachwuchses für die mannigfachen und verantwortungsvollen Aufgaben der Schutzgebietsverwaltungen gesichert und dem früheren

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 1. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_1.pdf/448&oldid=- (Version vom 12.12.2020)